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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2001 — 2002

DOI Kapitel:
I. Das Geschäftsjahr 2001
DOI Kapitel:
Gesamtsitzung am 10. Februar 2001
DOI Kapitel:
Sitzung der Math.-net. Klasse am 28. April 2001
DOI Artikel:
Honerkamp, Josef: Datengestützte Modellierung biologischer Systeme
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.66350#0035
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Sitzungen

hatte sich bisher die theoretische Modellierung in der Ökologie und in der Genetik
etabliert. Statistische Methoden für die Auswertung der Daten werden auch schon
lange benutzt, aber in der Regel werden nur die einfachsten Methoden, zum Teil mit
Hilfe eines Programms als Black-Box, bemüht.
Der Schub für die Motivation und die Einsicht in die Notwendigkeit mathemati-
scher Analysen wuchs zunächst langsam, in den letzten Jahren jedoch sehr schnell. Die
ungewöhnlich gestiegene Datenproduktion und die spektakulären Erfolge und Visio-
nen in der Biotechnologie und Bioinformatik haben zu der Beschleunigung dieser
Entwicklung beigetragen. Ich möchte Ihnen an einigen Projekten aus meinen Arbeits-
gruppen deutlich machen, welche Fragen man mit Hilfe solcher mathematischer
Modellierung beantworten kann.
1. Fragestellungen und Ziele einer Datenanalyse
Lassen Sie uns dazu beginnen mit einer Tabelle (Tab. 1):
In der ersten Spalte dieser Tabelle sind die Projekte aufgelistet, die wir in meiner
Abteilung mit den Kollegen aus der klinischen Medizin, der Biologie und Material-
forschung bearbeiten. Sie sehen den Stichwörtern unschwer an, dass es sich in meisten
Projekten um Fragen im Umkreis von großen Krankheiten handelt. In der zweiten
Spalte ist die vorläufige Fragestellung eingetragen. Diese ist vorläufig, weil aus der Be-
handlung dieser Frage mit unseren Methoden natürlich weitere Fragen auftauchen.
Das gemeinsame an allen diesen Fragen ist, wie man hier schon sieht, dass man
etwas misst — sei es das EEG, den nasalen Luftstrom, den Strom von Ionen durch
Kanäle in der Zellmembran oder das an einem Melanom gestreute Licht - und dass
man aus den Daten dieser Messungen Schlüsse ziehen will. Die Daten sprechen in den
wenigsten Fällen aus sich heraus. Im klassischen Fall beugt sich ein Experte, etwa ein
dafür ausgebildeter Arzt, über die Aufzeichnungen der Daten, und aufgrund seiner
Erfahrung kann er aus den Daten etwas ablesen, das ihm in der Diagnose weiter hilft.
Diese klassische, manuelle Auswertung hat aber verschiedenste Nachteile und
Grenzen. Zum einen kann allein das Datenvolumen für eine sinnvolle manuelle Aus-
wertung zu groß werden. Auch ist die manuelle Auswertung von der Tagesform und
der Erfahrung des Auswerters abhängig und die Ergebnisse werden unkontrollierbare
Fehler enthalten. Eine automatische Analyse der Daten auf der Basis von mathema-
tisch objektiven Kriterien wird zwar ebenfalls Fehler enthalten, diese sind dann aber
unabhängig von der Zeit und von Personen und können, da sie systematisch sind, auf
die Dauer berücksichtigt werden.
Zum anderen aber bleibt die Information, die in den Daten enthalten ist, oft dem
Auge verborgen. Man überblickt nicht alles wie z.B. in langen Zeitreihen, und erst eine
mathematische Analyse der Daten bringt einen Zusammenhang ans Licht. Das gilt ins-
besondere dann, wenn man das zeitliche Verhalten von Größen durch ein mathemati-
sches Modell beschreiben und damit einen bestimmten Mechanismus und kausalen
Zusammenhang begründen will. Ein Naturgesetz wie etwa das Newtonsche Gravita-
tionsgesetz ‘sieht’ man nicht, kann man nicht direkt aus den Daten herauslesen. Hier-
mit haben wir zwei allgemeine Ziele formuliert:
1) Automatisierung und Objektivierung einer Datenanalyse, die manuell auch
geleistet werden könnte, und
2) Suche nach Gesetzmäßigkeiten und kausalen Zusammenhängen mit Hilfe der
mathematischen Modellierung, die auf Erklärung abzielt.
 
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