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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2001 — 2002

DOI Kapitel:
I. Das Geschäftsjahr 2001
DOI Kapitel:
Gesamtsitzung am 16. Juni 2001
DOI Artikel:
Franz, Wolfgang: Antrittsrede vom 16. Juni 2001
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https://doi.org/10.11588/diglit.66350#0069
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Sitzungen

1981 habilitierte ich dann mit einer Arbeit über Jugendarbeitslosigkeit und, ob Sie nun
eine Kausalität herstellen wollen oder nicht, nach der Publikation meiner Habilitati-
onsschrift ging die Jugendarbeitslosigkeit hierzulande merklich zurück, was selbstver-
ständlich Zufall war.
Mit der Dissertation und Habilitationsschrift zeichnete sich bereits die Arbeits-
marktforschung als das Schwerpunktthema meiner wissenschaftlichen Tätigkeit ab.
Kennzeichnend dafür ist der Versuch, theoretische und ökonometrische Analysen mit-
einander zu verbinden und zu wirtschaftspolitisch relevanten Aussagen zu kommen.
Nach der Habilitation und dem üblichen (sic!) Such- und Bewerbungsprozess
erfolgten Berufungen an die Universitäten Mainz, Stuttgart und Konstanz. Keine die-
ser Zeiten möchte ich missen, am allerwenigsten die in Konstanz mit dem außeror-
dentlich fruchtbaren und menschlich so angenehmen Klima an der dortigen Fakultät
für Wirtschaftswissenschaften, dem ich den Vorzug vor Berufungen an die Humboldt-
Universität Berlin und die ETH Zürich gab. In die Konstanzer Zeit fällt nicht nur eine
Tätigkeit als Prorektor und Stellvertreter des Rektors, die für mich in mancherlei Hin-
sicht lehrreich war, sondern auch meine Berufung in den Sachverständigenrat zur
Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung. In der Öffentlichkeit wird der
Rat häufig mit „die fünf Weisen“ betitelt, worüber ich vordem geschmunzelt hatte, als
Mitglied dieses Rates sah ich das dann natürlich anders. Zu den vielfältigen Engage-
ments in der wirtschaftspolitischen Beratung gehört unter anderem meine Mitglied-
schaft im wissenschaftlichen Beirat des Bundesministeriums für Wirtschaft und Tech-
nologie.
Eigentlich war ich nach mehreren abgelehnten Rufen von der erfreulichen Perspek-
tive ausgegangen, für immer an der Universität Konstanz zu verbleiben, als mich das
Angebot ereilte, Präsident und wissenschaftlicher Direktor des Zentrums für Europäi-
sche Wirtschaftsforschung (ZEW) in Mannheim, verbunden mit einem Lehrstuhl für
Volkswirtschaftslehre an der dortigen Universität, zu werden. Am ZEW arbeiten der-
zeit knapp 120 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, darunter rund 80 Wissenschaftlerin-
nen und Wissenschaftler. Es ist ein wissenschaftliches Forschungsinstitut mit starkem
Anwendungsbezug und dem Ziel der wirtschaftspolitischen Beratung, welches zu
rund 60 v. H. aus Mitteln des Landes Baden-Württemberg und des Weiteren aus ein-
geworbenen Drittmitteln finanziert wird. Hauptarbeitsgebiete sind die Finanzmarkt-
analyse, die Arbeitsmarktforschung, die Industrieökonomik, der Umweltbereich und
der Staatssektor. Den maßgeblichen Anteil am Aufbau des ZEW, welches unlängst sein
zehnjähriges Bestehen feiern konnte, kann - wer wohl! - richtig, Heinz König für sich
in Anspruch nehmen, der mich nach reichlichem Zögern doch überzeugte, nach
Mannheim zu kommen. Nur wer einige Jahre an der Universität Konstanz und am
Bodensee verbracht hat, kann ermessen, wie schwer mir die Entscheidung gefallen ist.
Ich habe sie noch nie wirklich bereut - aber das sagte ich schon einmal, insoweit wie-
derholt sich meine persönliche Historie, nicht nur in regionaler Hinsicht, weil in
Mannheim der wissenschaftliche, berufliche Teil meines Lebens begann. Und so hoffe
ich, dass auch Sie Ihre Entscheidung nie bereuen werden, mich in Ihren Kreis aufge-
nommen zu haben, auch wenn mein wissenschaftlicher Werdegang nicht, wie bei vie-
len von Ihnen, von früher Jugendzeit an durch innere Leidenschaft und gefühlte Beru-
fung zur Wissenschaft, sondern durch eine beträchtliche Stochastik gekennzeichnet
ist. Aber vielleicht ist das Leben überhaupt ein stochastischer Prozess?
 
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