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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2001 — 2002

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I. Das Geschäftsjahr 2001
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Gesamtsitzung am 16. Juni 2001
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Huisken, Gerhard: Antrittsrede vom 16. Juni 2001
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https://doi.org/10.11588/diglit.66350#0072
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16. Juni 2001

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Herr Gerhard Huisken hält seine Antrittsrede
Für die ehrenvolle Aufnahme in die Akademie danke ich Ihnen sehr herzlich. In mei-
ner Antrittsrede will ich Ihnen schildern, wie ich nach Tübingen gekommen bin, zur
Mathematik, zu den Differentialgleichungen und ihren Anwendungen in Allgemeiner
Relativitätstheorie und Astrophysik.
Geboren 1958 in Hamburg, verbrachte ich die ersten sieben Lebensjahre mitten auf
dem Gelände einer großen Raffinerie im Hamburger Hafen. Es gab zwar keine Spiel-
kameraden, aber was es nicht alles zu sehen und zu entdecken gab für ein Kind: Die
Fackeln der Raffinerie, die Brandschutzübungen, die Tanker im Hafen. Der Tagesab-
lauf kannte keine Langeweile: Morgens vielleicht erst ein Besuch am Klärwerk, dann
Inspektion der Schweißarbeiten an den neu angelieferten Röhren, in denen man sich
so prima verstecken konnte, nachmittags vielleicht mit der Barkasse eine Tour zur
anderen Elbseite und zurück. Meine Eltern wären entsetzt gewesen, hätten sie gewußt,
wie gut ich die Raffinerie kannte. Heute wäre es nicht mehr möglich wegen Sicher-
heitsbedenken, für mich war es eine frühe und faszinierende Bekanntschaft mit
Physik, Chemie und Technik.
Während der Grundschulzeit in Ingolstadt verstärkte mein Vater, ein Chemiker,
weiter das naturwissenschaftliche Interesse, z.B. als er mir im Alter von acht oder neun
Jahren erzählte, wie man das Licht von Sonne und Sternen mit Prismen in Farben zer-
legen kann und so in der Astrophysik etwas über Himmelskörper herausfinden kann,
oder als er versuchte, mir die Entfernungen im All zu veranschaulichen. Der äußerst
strenge Unterrichtsstil an der Ingolstädter Grundschule und später dem dortigen
Gymnasium ist mir nicht nur in positiver Erinnerung, auch angesichts einer oft deut-
lichen Ausgrenzung des neu zugereisten „Preussen“. Nach einem weiteren Wechsel
besuchte ich das Helmholtz-Gymnasium hier in Heidelberg, wo ich von engagierten
Lehrern eine herausragende Ausbildung in einem breiten Fächerkanon erhielt. Beson-
ders m Mathematik und den Naturwissenschaften hatte ich das Glück, von Lehrern
unterrichtet zu werden, deren Wissen weit über den Schulstoff hinausreichte und die
es vermochten, ihren Schülern Begeisterung dafür zu vermitteln. Vor kurzem hörte ich
von meinem früheren Mathematiklehrer, daß leider gerade die Dinge, die mich damals
interessierten und schließlich zum Mathematikstudium animierten, etwa abstrakte
Strukturen wie Gruppen und Ringe, heute gar nicht mehr im Lehrplan enthalten sind.
Beim Studium der Mathematik und Physik in Heidelberg erwies sich eine sehr frühe
Familiengründung nicht als Hindernis, sondern als feste private Grundlage für frucht-
bares Arbeiten, die bis heute ihre Tragkraft behalten hat. Die Unterstützung durch die
Studienstiftung des deutschen Volkes war angesichts der familiären Verpflichtungen
nicht nur ideell, sondern auch finanziell eine große Hilfe. Ich profitierte in Heidelberg
von einem breiten Angebot in Mathematik und Physik, mit Claus Gerhardt fand ich
bald einen Lehrer, der den Ehrgeiz hatte, einige seiner Schüler in kürzester Zeit an
Forschungsprojekte heranzuführen. Dies führte dazu, daß ich schon mit vierund-
zwanzig Jahren promovieren konnte über die Differentialgleichungen, mit denen man
Flüssigkeitsoberflächen in Kapillarröhren beschreibt. Ich hatte ein tiefes technisches
Wissen über Differentialgleichungen erworben, von dem ich heute noch profitiere, ich
hatte ein sehr spezielles Problem gelöst - aber um den Preis einer starken Einengung,
die vielen Angebote der Universität in anderen Richtungen hatte ich nur teilweise
genutzt.
 
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