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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2001 — 2002

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I. Das Geschäftsjahr 2001
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Simon, Erika: Homer Armstrong Thompson (7.9.1906 - 7.5.2000)
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https://doi.org/10.11588/diglit.66350#0130
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Homer Armstrong Thompson

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Homer Thompson war seit 1933 mit Dorothy Burr Thompson verheiratet, die ihn
nur kurz überlebte. Sie war eine bedeutende Archäologin, die nicht nur in der Athe-
ner Agora mitwirkte, sondern - unter anderem - die in Troia gefundenen Terrakotten
publizierte und das grundlegende Werk über die Ptolemäerkannen verfaßte. Sie lebten
zunächst in Toronto/Kanada, wo Homer Thompson am Department of Art and
Archaeology der Universität lehrte und Assistant Curator der klassischen Antike im
Royal Ontario Museum war. Im Krieg diente er in der Royal Canadian Navy. 1947, als
er die Direktion der Agora-Grabung übernahm, erhielt er einen Ruf an das Institute
for Advanced Study in Princeton/New Jersey. So wurde diese Stadt der Standort der
inzwischen fünfköpfigen Familie, ihre andere Heimat war Athen.
1953/56 ließ Homer Thompson die zweistöckige Säulenhalle des Attalos wieder-
errichten, welche die Athener Agora im Osten begrenzt. Attalos II. Philadelphos,
der 159-138 v. Chr. König von Pergamon war, hatte die monumentale Stoa zu Ehren
Athens erbauen lassen. Sie war nie ganz im Boden verschwunden wie andere Gebäude
der Agora und ließ sich ohne größere Probleme rekonstruieren. Die Attalos-Stoa als
Museum und Magazin zu nutzen, war Homer Thompsons geniale Idee. Einige grie-
chische und amerikanische Kollegen hatten ihn deshalb kritisiert, doch das ist längst
verstummt. Die hellenistische Säulenhalle fügt sich in das Gelände am Fuß der Akro-
polis durch zeitlose Würde ein. Die ausgegrabene Gegend wurde ferner bis hinauf
zum weitgehend erhaltenen Hephaisteion (dem sogenannten Theseion) als archäolo-
gischer Park gestaltet und wirkt auf den Besucher harmonisch.
Für die antike Architektur und ihre Skulptur interessierte sich Thompson ganz
besonders. Unvergeßlich ist mir ein mit dem für Homer typischen Humor gewürzter
Vortrag, den er auch in Deutschland hielt. Er galt den wandernden Tempeln von
Attika, die in römischer Zeit Stein für Stein aus ländlichen Gebieten auf die Agora
versetzt worden waren, wo sie bei den Grabungen zutage kamen. Der Vergleich
mit Gebäuden, die aus Ägypten oder Europa nach Amerika gelangten, lag nahe. -
Thompson verfaßte eine Monographie über die bald nach den Perserkriegen wieder
errichtete Tholos, den runden Versammlungs- und Kultraum der Prytanen auf der
Agora (Hesperia Suppl. IV, 1940), schrieb über die Giebelskulpturen des Hephaistei-
on (Hesperia 18, 1949, 230 ff.) und über das Odeion des Agrippa, einen Monumental-
bau mitten auf der Agora (ibidem 19, 1950, 31 ff.). Alle diese Gebäude wie auch die
verschiedenen Phasen in der Geschichte der Agora wurden in Modellen rekonstruiert,
die im Museum der Attalos-Stoa zu besichtigen sind.
Neben der Reihe von Monographien über de Ergebnisse der Grabungen gibt die
American School at Athens auf Thompsons Anregung hin seit den späten fünfziger
Jahren kleine, allgemeinverständliche Bilderhefte heraus, an denen Dorothy Thomp-
son besonders beteiligt war. Einige der originellsten Titel seien hier genannt: Garden
Lore of Ancient Athens (1963); Waterworks in the Athenian Agora (1968); Bronze-
workers in the Athenian Agora (1982). - Das Standardwerk über die amerikanischen
Grabungen in Athen verfaßte Homer Thompson zusammen mit R. E. Wycherley
als Band XIV der oben erwähnten Reihe: „The Agora of Athens“ (1972). Die reichen
antiken Schriftquellen über die Agora kommen darin ebenso zu Wort wie die vielen
Baudenkmäler und Einzelfunde. Aus dem Band geht ferner hervor, daß Homer
Thompson in erster Linie Historiker war. Die Interpretation der Bauten und Klein-
funde, die eine Funktion in der athenischen Demokratie hatten, lag ihm am Herzen.
Er identifizierte sich freudig mit seiner Aufgabe, denn sie war auf ihn zugeschnitten.
 
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