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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2002 — 2003

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I. Das Geschäftsjahr 2002
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Jahresfeier am 8. Juni 2002
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Leiderer, Paul: Kolloide - Zwergenhafte Bausteine für die Nanowelt
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https://doi.org/10.11588/diglit.66351#0028
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8. Juni 2002

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sind, etwa in Form von Staubpartikeln in der Prozesskette bei der Herstellung inte-
grierter Schaltungen in der Mikroelektronik. Daher wird der zweite Teil meines Vor-
trags der Frage gewidmet sein, wie man (unerwünschte) Nanostrukturen von Ober-
flächen entfernen kann.
In beiden Fällen werden Kolloidpartikel eine Schlüsselrolle spielen. Kolloide
kommen in unserer Umwelt als Suspensionen kleiner Teilchen allenthalben vor,
bekannte Beispiele sind Milch, Blut, oder Wandfarbe. Wir verwenden in unseren
Experimenten wohldefinierte, meist kugelförmige Kolloidpartikel aus Polystyrol,
Plexiglas oder Quarz, die man heutzutage sehr präzise mit nur sehr geringen Durch-
messerschwankungen von wenigen Prozent herstellen kann.
Kolloide als Ausgangsbausteine für Nanostrukturen. Ein Ziel dieser Experimente ist
es, eine regelmäßige Anordnung der Kolloidkügelchen auf einer Oberfläche wie Glas
oder Silizium zu erzeugen. Die Methode, die hier zum Erfolg führt, ist verblüffend
einfach. Man kann einen Effekt ausnutzen, der ähnlich bei der Entstehung eines
Kaffeefleckens auf einer Glasoberfläche auftritt: Die Oberflächenspannung der Flüs-
sigkeit zieht die Feststoffteilchen in der Flüssigkeit zusammen, sobald der Tropfen so
weit verdampft ist, dass nur noch ein dünner Film vorliegt. Diese Anziehungskräfte
aufgrund der Oberflächenspannung, auch Kapillarkräfte genannt, können für die
Teilchen immens werden, millionenmal größer als die Schwerkraft, die auf die Teil-
chen wirkt. Beim Kaffeetropfen führen diese Kräfte dazu, dass sich die meisten fest-
en (Kaffee-)Teilchen außen am Tropfen ansammeln und dadurch zu dem charakte-
ristischen dunklen Tropfenrand führen. Bei einem Tropfen einer Suspension aus lauter
gleich großen, kugelförmigen Kolloidpartikeln kann man unter optimalen Versuchs-
bedingungen erreichen, dass über die gesamte Tropfenfläche eine dicht gepackte,
einlagige Schicht von Nanokugeln entsteht, regelmäßig in einem Sechseckmuster
angeordnet. Da bei der Ausbildung dieser Strukturen kein Eingriff von außen erfor-
derlich ist, spricht man hier von „Selbstorganisation“ — ein zugegebenermaßen sehr
simples Beispiel für derartige Prozesse, die in komplexerer Form in der unbelebten
und belebten Natur weithin eine maßgebliche Rolle spielen.
Die beschriebene regelmäßige Lage aus Kolloidkügelchen ist bereits für sich
eine interessante Nanostruktur. Sie stellt em optisches Gitter dar, ähnlich wie der
eingangs erwähnte Schmetterlingsflügel, und zeigt deshalb vergleichbare opaleszie-
rende Farbspiele. (Man bezeichnet Strukturen dieser Art auch als „photonische
Kristalle“, die aufgrund ihrer speziellen optischen Eigenschaften in der integrierten
Optik und der Telekommunikation vielversprechende Anwendungen erwarten las-
sen.) Die Kolloidschicht kann aber auch — als „Templat“ - zur Herstellung weiterer
Nanostrukturen dienen. Em naheliegendes Verfahren besteht zum Beispiel dann,
einen Metallfilm auf die Kolloidschicht in geeigneter Weise aufzubringen, etwa
durch Aufdampfen, und danach die Kügelchen zu entfernen. Auf dem Substrat blei-
ben dann regelmäßig angeordnete metallische Dreieckstrukturen zurück, die genau
die Form der Zwischenräume zwischen den Kügelchen haben (Fig. 2). Diese
Methode — die sog. „Kolloidlithographie“ — wurde bereits vor zwei Jahrzehnten von
Fischer und Dunsmuir eingeführt und hat sich als eine wertvolle Möglichkeit zur
Herstellung einfacher Teststrukturen etabliert. Sie ist sehr vielseitig und erlaubt — im
 
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