8. Juni 2002 | 49
WALTER-WITZENMANN-PREIS
Sabine Jung: „Die Logik direkter Demokratie — Ein Einblick“
Sehr geehrte Damen und Herren, sehr geehrter Freiherr zu Puthtz, vielen herzlichen
Dank für die freundlichen Worte, vor allem aber natürlich für diesen wunderbaren
Preis, den ich hier heute für meine Dissertation entgegennehmen darf.
Eine Dissertation, das ist so etwas wie eine Expedition. Eine Expedition in
unbekanntes Gelände, auf unausgetretenen Pfaden — mit viel Hoffnung, aber letzt-
lich ungewissem Ziel. Der Weg ist oft steinig und manchmal einsam — umso wich-
tiger, wenn am Ende all dieser Mühen ein solcher Preis steht. Denn er zeigt, dass es
richtig war, sich nicht zu schnell zufrieden zu geben oder etwa auf halbem Wege
stehen zu bleiben. Und er ist Ansporn, auch in Zukunft so zu handeln.
Für diesen Ansporn möchte ich der Heidelberger Akademie der Wissenschaf-
ten und insbesondere natürlich dem Stifter des Preises, Walter Witzenmann, von
Herzen danken. Einen besonderen Dank möchte ich an dieser Stelle schließlich an
meinen Doktorvater, Prof. Dr. Peter Graf Kielmansegg, richten.
Worum geht es in meiner Dissertation? Das Bild, das ich für die Veröffent-
lichung der Arbeit als Cover gewählt habe, beantwortet diese Frage eigentlich schon
ziemlich gut. Es geht, grob gesprochen, genau um eine Frage: Was passiert, wenn man
dem Volk die Möglichkeit gibt, selbst über Sachfragen zu entscheiden? Denn genau
das meint der Begriff direkte Demokratie. Die Bürger wählen nicht länger nur Perso-
nen, sondern sie entscheiden über konkrete Einzelfragen, z. B. die Einführung des
Euro oder die Erweiterung der EU. Und können damit ihren gewählten Volksver-
tretern ziemlich in die Quere kommen.
Es geht also darum, was geschieht, wenn in einem politischen System den
Bürgern die Möglichkeit zu direkter Beteiligung gegeben wird. Was passiert mit
dem System? Wird es schneller, der Reformstau abgebaut — oder wird es langsamer,
womöglich sogar blockiert? Und was geschieht mit den etablierten Akteuren,
z. B. den Parteien? Was kann man sich erhoffen, wenn man mehr direkte Demo-
kratie wagt?
Kernaussage meiner Arbeit ist, dass man all
diese Fragen erst beantworten kann, wenn man
differenziert und typologisiert. D. h. man muss
auf der einen Seite verschiedene Typen von
politischen Systemen unterscheiden — und auf
der anderen verschiedene Verfahren direkter
Demokratie. Dann kann man diese in einem
dritten Schritt zusammenbringen und beispiels-
weise fragen: Was passiert, wenn man in eine
konstitutionell-majoritäre Demokratie die ein-
fache Gesetzesinitiative einführt? Das wäre dann
der Fall der Bundesrepublik Deutschland, die
man diesem Typus zuordnen kann. Und die
Antwort für Deutschland fiel sehr klar aus: Nur
WALTER-WITZENMANN-PREIS
Sabine Jung: „Die Logik direkter Demokratie — Ein Einblick“
Sehr geehrte Damen und Herren, sehr geehrter Freiherr zu Puthtz, vielen herzlichen
Dank für die freundlichen Worte, vor allem aber natürlich für diesen wunderbaren
Preis, den ich hier heute für meine Dissertation entgegennehmen darf.
Eine Dissertation, das ist so etwas wie eine Expedition. Eine Expedition in
unbekanntes Gelände, auf unausgetretenen Pfaden — mit viel Hoffnung, aber letzt-
lich ungewissem Ziel. Der Weg ist oft steinig und manchmal einsam — umso wich-
tiger, wenn am Ende all dieser Mühen ein solcher Preis steht. Denn er zeigt, dass es
richtig war, sich nicht zu schnell zufrieden zu geben oder etwa auf halbem Wege
stehen zu bleiben. Und er ist Ansporn, auch in Zukunft so zu handeln.
Für diesen Ansporn möchte ich der Heidelberger Akademie der Wissenschaf-
ten und insbesondere natürlich dem Stifter des Preises, Walter Witzenmann, von
Herzen danken. Einen besonderen Dank möchte ich an dieser Stelle schließlich an
meinen Doktorvater, Prof. Dr. Peter Graf Kielmansegg, richten.
Worum geht es in meiner Dissertation? Das Bild, das ich für die Veröffent-
lichung der Arbeit als Cover gewählt habe, beantwortet diese Frage eigentlich schon
ziemlich gut. Es geht, grob gesprochen, genau um eine Frage: Was passiert, wenn man
dem Volk die Möglichkeit gibt, selbst über Sachfragen zu entscheiden? Denn genau
das meint der Begriff direkte Demokratie. Die Bürger wählen nicht länger nur Perso-
nen, sondern sie entscheiden über konkrete Einzelfragen, z. B. die Einführung des
Euro oder die Erweiterung der EU. Und können damit ihren gewählten Volksver-
tretern ziemlich in die Quere kommen.
Es geht also darum, was geschieht, wenn in einem politischen System den
Bürgern die Möglichkeit zu direkter Beteiligung gegeben wird. Was passiert mit
dem System? Wird es schneller, der Reformstau abgebaut — oder wird es langsamer,
womöglich sogar blockiert? Und was geschieht mit den etablierten Akteuren,
z. B. den Parteien? Was kann man sich erhoffen, wenn man mehr direkte Demo-
kratie wagt?
Kernaussage meiner Arbeit ist, dass man all
diese Fragen erst beantworten kann, wenn man
differenziert und typologisiert. D. h. man muss
auf der einen Seite verschiedene Typen von
politischen Systemen unterscheiden — und auf
der anderen verschiedene Verfahren direkter
Demokratie. Dann kann man diese in einem
dritten Schritt zusammenbringen und beispiels-
weise fragen: Was passiert, wenn man in eine
konstitutionell-majoritäre Demokratie die ein-
fache Gesetzesinitiative einführt? Das wäre dann
der Fall der Bundesrepublik Deutschland, die
man diesem Typus zuordnen kann. Und die
Antwort für Deutschland fiel sehr klar aus: Nur