70 | SITZUNGEN
Herr Kirchhof gibt zu bedenken, daß dieses Thema die Gefahr der Polarisierung
in sich trüge und im übrigen em Gebiet berührte, auf dem der Landtag nicht
zuständig sei. Die Aussprache wurde mit der Empfehlung des Präsidenten
beschlossen, die Mitglieder möchten möglichst umgehend Vorschläge über geeig-
nete Themen an den Vorstand richten.
WISSENSCHAFTLICHE SITZUNG
Herr Adolf Laufs hält einen Vortrag: „Die klinische Arzneimittelprüfung nach der
neuen europäischen Richtlinie — em Bruch mit der deutschen Rechtskultur?“.
Die kritische juristische Analyse gilt der Richtlinie 2001/20/EG des Europäischen
Parlaments und des Rates vom 4. April 2001 zur Angleichung der Rechts- und Ver-
waltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Anwendung der guten klinischen
Praxis bei der Durchführung von klinischen Prüfungen mit Humanarzneimitteln.
Obwohl die Mitgliedstaaten nach Art. 22 die erforderlichen Rechts- und Verwal-
tungsvorschriften zur Umsetzung der Richtlinie bis zum 1. Mai 2003 zu erlassen und
zu veröffentlichen hatten, damit diese spätestens ab dem 1. Mai 2004 in Kraft stehen
können, hat das deutsche Gesundheitsministerium erst im April des Jahres 2002 den
„Referentenentwurf für em Zwölftes Gesetz zur Änderung des Arzneimittelgeset-
zes“ mit Begründung vorgelegt. Und im August 2003 endlich hat die Bundesregie-
rung ihren Entwurf eines Zwölften Gesetzes zur Änderung des Arzneimittelgesetzes
(AMG) präsentiert. Die Gesetzesnovelle wird wohl in der ersten Hälfte des Jahres
2004 ergehen.
Zu den systematischen Versuchen und Erprobungen am Menschen, deren Ziel
es ist oder zu deren Zielen es gehört, das medizinische Wissen zu mehren, zählt auch
die klinische Arzneimittelprüfung, nämlich die Anwendung eines Arzneimittels am
Menschen zu dem Zweck, über den einzelnen Anwendungsfall hinaus Erkenntnisse
über den therapeutischen oder diagnostischen Wert eines Medikaments, insbesonde-
re über seine Wirksamkeit und Unbedenklichkeit, zu gewinnen, sowohl in einer Kli-
nik wie in der Praxis eines niedergelassenen Arztes. Das Experiment überschreitet
den Standard, der erprobende Versuchsschritt sucht das eingeführte Verfahren zu
übertreffen.
Die Freiheit medizinischer Forschung (Art. 5 Abs. 3 GG) findet dort ihre
Schranken, wo sie Grundrechte anderer verletzte. Damit unterliegt selbst die For-
schungsfreiheit — wenn auch ungeschrieben und nur durch Auslegung zu ermitteln
— einem Verfassungsvorbehalt: Gleichrangige oder höherrangige Verfassungswerte —
das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die Würde des Menschen — ziehen die
Grenze des Freiheitsrechts für den Wissenschaftler und Forscher. Diese Grenzzie-
hung fällt um so schwerer, als das Rechtsbild des Menschen von sich selbst zuneh-
mend verblaßt und das Recht an Orientierungskraft verliert. Ein Wechsel im Ver-
ständnis der Garantie der Würde des Menschen scheint sich anzubahnen. Die Unab-
dingbarkeit des ersten Satzes unserer Verfassung soll eine Flexibilität erhalten für
Herr Kirchhof gibt zu bedenken, daß dieses Thema die Gefahr der Polarisierung
in sich trüge und im übrigen em Gebiet berührte, auf dem der Landtag nicht
zuständig sei. Die Aussprache wurde mit der Empfehlung des Präsidenten
beschlossen, die Mitglieder möchten möglichst umgehend Vorschläge über geeig-
nete Themen an den Vorstand richten.
WISSENSCHAFTLICHE SITZUNG
Herr Adolf Laufs hält einen Vortrag: „Die klinische Arzneimittelprüfung nach der
neuen europäischen Richtlinie — em Bruch mit der deutschen Rechtskultur?“.
Die kritische juristische Analyse gilt der Richtlinie 2001/20/EG des Europäischen
Parlaments und des Rates vom 4. April 2001 zur Angleichung der Rechts- und Ver-
waltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Anwendung der guten klinischen
Praxis bei der Durchführung von klinischen Prüfungen mit Humanarzneimitteln.
Obwohl die Mitgliedstaaten nach Art. 22 die erforderlichen Rechts- und Verwal-
tungsvorschriften zur Umsetzung der Richtlinie bis zum 1. Mai 2003 zu erlassen und
zu veröffentlichen hatten, damit diese spätestens ab dem 1. Mai 2004 in Kraft stehen
können, hat das deutsche Gesundheitsministerium erst im April des Jahres 2002 den
„Referentenentwurf für em Zwölftes Gesetz zur Änderung des Arzneimittelgeset-
zes“ mit Begründung vorgelegt. Und im August 2003 endlich hat die Bundesregie-
rung ihren Entwurf eines Zwölften Gesetzes zur Änderung des Arzneimittelgesetzes
(AMG) präsentiert. Die Gesetzesnovelle wird wohl in der ersten Hälfte des Jahres
2004 ergehen.
Zu den systematischen Versuchen und Erprobungen am Menschen, deren Ziel
es ist oder zu deren Zielen es gehört, das medizinische Wissen zu mehren, zählt auch
die klinische Arzneimittelprüfung, nämlich die Anwendung eines Arzneimittels am
Menschen zu dem Zweck, über den einzelnen Anwendungsfall hinaus Erkenntnisse
über den therapeutischen oder diagnostischen Wert eines Medikaments, insbesonde-
re über seine Wirksamkeit und Unbedenklichkeit, zu gewinnen, sowohl in einer Kli-
nik wie in der Praxis eines niedergelassenen Arztes. Das Experiment überschreitet
den Standard, der erprobende Versuchsschritt sucht das eingeführte Verfahren zu
übertreffen.
Die Freiheit medizinischer Forschung (Art. 5 Abs. 3 GG) findet dort ihre
Schranken, wo sie Grundrechte anderer verletzte. Damit unterliegt selbst die For-
schungsfreiheit — wenn auch ungeschrieben und nur durch Auslegung zu ermitteln
— einem Verfassungsvorbehalt: Gleichrangige oder höherrangige Verfassungswerte —
das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die Würde des Menschen — ziehen die
Grenze des Freiheitsrechts für den Wissenschaftler und Forscher. Diese Grenzzie-
hung fällt um so schwerer, als das Rechtsbild des Menschen von sich selbst zuneh-
mend verblaßt und das Recht an Orientierungskraft verliert. Ein Wechsel im Ver-
ständnis der Garantie der Würde des Menschen scheint sich anzubahnen. Die Unab-
dingbarkeit des ersten Satzes unserer Verfassung soll eine Flexibilität erhalten für