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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2003 — 2004

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I. Das Geschäftsjahr 2003
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Wissenschaftliche Sitzungen
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Sitzung der Phil.-hist. Klasse am 28. Juni 2003
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Laufs, Adolf: Die klinische Arzneimittelprüfung nach der neuen europäischen Richtlinie - ein Bruch mit der deutschen Rechtskultur?
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https://doi.org/10.11588/diglit.67592#0059
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28. Juni 2003 | 71

Abwägungen und Gesichtspunkte der Angemessenheit. Naturrechtliche Rückgriffe
auf die geistigen und geschichtlichen Grundlagen des Begriffs der Würde des Men-
schen sollen ihre Relevanz verlieren. Dieses Denken wird weitreichende Folgen
haben auf den umstrittenen Feldern der Biomedizin, der Genetik, der artifiziellen
Reproduktion und der Neulandmedizin.
Die neue Richtlinie gibt Anlaß zu kritischen Bedenken über das Ausgreifen
des Europarechts. Der noch immer wachsende Gesundheitsmarkt mit der Pharma-
industrie ist Teil des gemeinsamen Marktes. Dessen Hauptregel der Verkehrsfreiheit
hat in der zunehmend unitarischen Europäischen Gemeinschaft die Tendenz, auch
über das Pharma-Recht in das kulturell jeweils unterschiedlich ausgeprägte Gesund-
heitswesen der Mitgliedstaaten auszustrahlen und deren Gesundheitsrecht umzufor-
men.
Dabei fehlt der EU auf diesem Feld eine eigene Zuständigkeit. Im foederativ
verfaßten Deutschland kompliziert sich die Lage dadurch, daß hier das Gesundheits-
recht hauptsächlich zur Gesetzgebungskompetenz der Länder gehört.
Zwischen der umfangreichen europäischen Richtlinie mit ihren ausführlichen
Erwägungsgründen und ihren vierundzwanzig Artikeln einerseits und den einschlä-
gigen wenigen Paragraphen des deutschen AMG andererseits bestehen tiefgreifende
Unterschiede. Die Befassung mit der Richtlinie führt stellenweise mitten hinein in
noch nicht abgeschlossene Kontroversen um das geltende deutsche Verfassungs-,
Bundes- und Landesrecht zur Arzneimittelprüfung. Leider zeigen sich in der Richt-
linie auch Unstimmigkeiten, die em sorgfältiger, sachverständig angeleiteter Gesetz-
geber zu vermeiden hat.
Der Vortrag erörtert drei Hauptthemen, in denen es vornehmlich um den
Schutz von Patienten und Probanden, auch der Prüfärzte und deren Funktion geht:
um im deutschen Recht der Nachkriegszeit hochentwickelte Standards, die das
Konzept der Mindestharmonisierung im Richtlinienrecht herausfordern.
Tief eingeprägten Grundmaximen zufolge dürfen den Schritt in medizinisches
Neuland am Menschen allem verantwortliche Arzte vollziehen. Nicht nur die Fach-
kunde, sondern auch die berufsethische und berufsrechtliche Gebundenheit des
Arztes erst gewähren Patienten und Probanden den gebotenen Schutz. Die neue
europäische Richtlinie mindert das Gewicht des Arztes. Sie verschiebt die Gewichte
von den Ärzten und Ärztekammern auf die pharmazeutische Industrie und staat-
liche Behörden. Damit schwächt sie auch das Gesundheitsrecht, dessen Mitte, das
Arztrecht wie das Arzneimittelrecht, Patientenschutzrecht ist. Im Recht des gemein-
samen europäischen Marktes steht der Unternehmer mit seinen Kunden, im landes-
rechtlich bestimmten Gesundheitsrecht der Arzt mit seinen Patienten im Mittel-
punkt.
Die Ethik-Kommissionen gehören zu den wichtigsten Institutionen im Dienst
der prozedurahsierten Patientensicherheit. Ihre Unabhängigkeit und das unentbehr-
liche Vertrauen der Öffentlichkeit verbieten eine privatrechtliche Verfassung dieser
interdisziplinär mit Fachleuten besetzten Gremien. Die Zusammensetzung wird sich
nach den europäischen Maßgaben nicht grundsätzlich zu ändern haben. Die Funk-
tion freilich mag sich verändern von der kritischen Beratung hin zu einer verwal-
 
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