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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2003 — 2004

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I. Das Geschäftsjahr 2003
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Figura, Kurt von: Friedrich Cramer (20.9.1923 - 24.6.2003)
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https://doi.org/10.11588/diglit.67592#0182
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NACHRUFE

durch Watson und Crick in einem benachbarten Labor erlernte Friedrich Cramer
bei Todd das damals verfügbare Methodenrepertoire zur Synthese von Polynukleot-
iden. Nach seiner Rückkehr 1954 erweiterte er in Heidelberg seine Arbeiten an den
Cyclodextrinen um solche zur Chemie von DNA und RNA. Eine der Lehrveran-
staltungen des jungen Dozenten - betitelt „Chemische Grundlagen der Vererbung“
- führte die Studierenden in dieses damals neu aufkommende Gebiet ein.
1959 nahm Friedrich Cramer den Ruf auf den Lehrstuhl für Organische Che-
mie II an der Technischen Hochschule Darmstadt an. In seine kurze Darmstädter
Zeit — bereits 1962 wurde er zum wissenschaftlichen Mitglied der Max-Planck-
Gesellschaft und zum Direktor der Abteilung Chemie des neuen Instituts für Expe-
rimentelle Medizin in Göttingen berufen — fallen grundlegende Arbeiten zur che-
mischen Synthese von Ohgonukleotiden. In Göttingen konzentrierte er seine Arbei-
ten auf die Nukleinsäuren. Rasch entstand eine von ihm geprägte Schule der
Nukleinsäurechemie, die zahlreiche Wissenschaftler, die später Lehrstühle in
Deutschland, Polen, den Vereinigten Staaten von Amerika und Japan übernahmen,
hervorbrachte. Die Entwicklung der Phosphotriester-Methode zur Synthese von
Polynukleotiden, die chemische Synthese von Oligonukleotiden an polymeren Trä-
gern und die strukturelle und funktionelle Klassifizierung der Aminoacyl-tRNA-
Synthetasen gehören zu den großen wissenschaftlichen Leistungen der Cramer’schen
Abteilung. Das wissenschaftliche Wettrennen um die erste Kristallstruktur der tRNA
wurde knapp verloren. Mitarbeiter aus jenen Jahren schwärmen von der offenen
Atmosphäre in der Abteilung, der langen Leine, mit der er den wissenschaftlichen
Nachwuchs führte und den großen Freiräumen, die er seinen älteren Mitarbeitern
bei deren wissenschaftlicher Verselbständigung gewährte.
Gastaufenthalte einer Vielzahl von Postdocs aus dem Ausland, regelmäßige
Gastvorträge internationaler Wissenschaftler und intensive Kooperationen mit Grup-
pen aus dem europäischen und außereuropäischen Ausland schufen eine weltoffene
und anregende Atmosphäre in der Abteilung. Lebhaft blieben bei den Mitarbeitern
die Feiern im Institut, Ausflüge in die näherer Umgebung und die Klausurtreffen in
seinem Sommerhaus am Corner See in Erinnerung. Ich selbst kenne die Atmosphäre
in der Cramer’schen Abteilung nur vom Hörensagen. Unvergesslich ist mir, wie
Friedrich Cramer mich Ende 1986 in den ersten Tagen meines Wechsels nach Göt-
tingen zu einem Vortrag in seine Abteilung einlud. Das Interesse und die Warmher-
zigkeit, mit der ich von ihm und seinen Mitarbeitern aufgenommen wurde, die
Hilfsangebote, die sie während der "Nachsitzung" entwickelten und danach auch in
die Tat umsetzten, haben sehr geholfen, manche der Unannehmlichkeiten, die ein
Neuanfang mit sich bringt, abzumildern.
Von den zahlreichen Auszeichnungen, die Friedrich Cramer für seine wissen-
schaftlichen Arbeiten erhielt, zählen die Aufnahme in EMBO (1968), in die Braun-
schweigische Wissenschaftliche Gesellschaft (1977), in die Polnische (1980), die Göt-
tinger (1981) und die Heidelberger (1981) Akademie der Wissenschaften, die Verlei-
hung der Ehrenmitgliedschaft der American Society of Biological Chemistry (1977)
und der Polnischen Chemischen Gesellschaft (1990) und die Verleihung der
Kopermkus-Medaille der Polnischen Akademie der Wissenschaften (1987).
 
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