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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2005 — 2006

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I. Das Geschäftsjahr 2005
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Wissenschaftliche Sitzungen
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Gesamtsitzung am 30. April 2005
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Frank, Manfred: Läßt sich Subjektivität naturalisieren?
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https://doi.org/10.11588/diglit.67593#0061
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SITZUNGEN

schäft aller Entitäten des Raum-Zeit-Systems) handelt. Die Naturalisierung ist eine
Form der Reduktion; und unter ‘Reduktion’ versteht man die Ersetzung einer
Klasse von Phänomenen durch eine andere salva veritate, also ohne Veränderung des
Wahrheitswerts. Für Reduktionen spricht die Sparsamkeitsmaxime („Occams
Rasiermesser“), nach der Entitäten nicht ohne Grund vervielfältigt werden sollen.
Im gegebenen Fall: Kann ich Geistig-Seelisches auf Naturales reduzieren, so ist
meine Ontologie sparsamer als etwa die des Substanz-Dualismus, der für Geist und
Leib zwei irreduzible Seinsbezirke annehmen muss.
Einen solchen Dualismus vertrat der Gründervater der modernen Philosophie,
Rene Descartes. Nicht, als habe er bestreiten wollen, dass unsere Seelen verkörpert
sind. Er hielt nur die Bekanntschaft unseres Geistes mit sich selbst für eine ‘Gewiss-
heit’, die sich nicht auch auf den Körper erstreckt: Es ist nämlich logisch möglich,
an der unabhängigen Existenz meines Körpers zu zweifeln (seine Annahme mag
im Übrigen eine Wahrheit darstellen); während es logisch unmöglich ist, dass der
aktuelle Denker eines Ich-Gedankens sich im Vollzug dieses Gedanken für inexistent
hält. — Descartes’Argument hat die moderne Subjekt-Philosophie bis hinein in die
jüngste Philosophy of Mind beeindruckt. Bekannt ist Saul Kripkes Argument für den
Dualismus — und damit gegen den Naturalismus: Identitätsbeziehungen sind not-
wendig. Behaupte ich zwischen Leib- und Geistzuständen Identität, so muss diese
logisch und einsichtig sein. D. h., dass zwischen mittlerer Molekülbewegung und
Wärme oder zwischen Wasser und H2O strikte Identität besteht, nicht aber (z.B.)
zwischen einer C-Faser-Reizung im Hirn einerseits und meinem Schmerz anderer-
seits. Ich kann mir widerspruchsfrei vorstellen, Schmerz zu empfinden, ohne dass
meine C-Faser gereizt ist (selbst wenn sie wirklich gereizt ist).
Ich untergliedere das Phänomen Subjektivität in zwei Unterphänomeme:
Selbstbewusstsein und Selbstwissen. Selbstbewusste Zustände (wie Schmerzen-
Haben, Sauer-Schmecken oderTraurig-Sein) sind unmittelbar bekannt, ohne dass ein
Ich als ihr Träger auftauchen müsste. ‘Unmittelbar’ meint: nicht vermittelt durch ein
Urteil oder eine Art innerer Wahrnehmung. Sie sind gewiss, d.h. ihre Leugnung ist
logisch unmöglich. Ihr kognitiver Status ist umstritten: Wenn mir irgendwie zumute
ist (ich könnte verliebt sein), muss ich das nicht unbedingt wissen und in wahren Aus-
sagen formulieren können; d.h., dass Zumuteseins-Zustände („what-it-is-likeness“)
unbegrifflich, vor-tatsächlich und vor-theoretisch sind. Daraus folgt nicht, dass diese
Zustände also unbewusst wären: Es folgt nur, dass sie nicht aufWissensbestände zu
reduzieren sind, wie sie in einem (idealiter komplettierten) Physiklehrbuch nachzu-
lesen wären. (Beispiel: Mary, die nie mit wirklichen Farben konfrontierte perfekte
Wahrnehmungsphysiologin, weiß — theoretisch — alles überhaupt Bekannte übers
Farbsehen; nur hat sie noch nie aus der Innenperspektive erlebt, wie einem Farb-
sichtigen beim Anblick einer roten Tomate unter Normalbedingungen zumute ist.)
Selbstwissen ist ebenfalls wesentlich subjektiv, impliziert aber Kenntnis von
einem Träger der Zustände: dem Subjekt (oder ‘Ich’). Diese Kenntnis ist zwar kogniti-
ver - begrifflicher - Natur (sie bildet ein echtes Wissen), aber ebenso unmittelbar wie
die des unbegrifflichen Selbstbewusstseins; ich schöpfe sie nicht aus einer Spiege-
lung/Reflexion/objektivierenden Präsentation eines Selbst. Selbstwissen ist ‘prärefle-
 
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