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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2005 — 2006

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I. Das Geschäftsjahr 2005
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Wissenschaftliche Sitzungen
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Öffentliche Gesamtsitzung in Freiburg am 22. Oktober 2005
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Sparn, Walter: Trug für Gott? Aufstieg und Fall der philosophisch-theologischen Theodizee der Neuzeit
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https://doi.org/10.11588/diglit.67593#0084
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22. Oktober 2005

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deterministisch bestimmt schien. Die Reaktion des „Journal deTrevoux“ auf Pope und
Voltaire sowie, unmittelbar vor dem Erdbeben, die Beantwortung der Akademie-
Frage nach dem Pope’schen „Alles ist gut“ durch G.E. Lessing und M. Mendelssohn
haben diese Verschiebung erkannt.
Die Leibniz sehe Lösung des Theodizeeproblems durch eine theorieförmige, sich
vernünftig und fromm verstehende Theodizee hat eine in einer langfristig aufge-
schichtete Problemlast im Blick. Im zweiten Schritt zeigte der Vortrag, dass die Frage,
auf welche die Verteidigung Gottes des Schöpfers die Antwort darstellt, in der alt-
europäischen Denkgeschichte zunehmend voraussetzungsreich und immer erwar-
tungsvoller wurde. Die Verbindung des christlichen Schöpferglaubens mit dem meta-
physischen Monotheismus ließ die Gottesprädikate „Allmacht“ und „Güte“ als
widersprüchlich erscheinen; die Frage nach dem Ursprung der Sünde und nach
der Nicht-Erwählung zum Heil verschärfte diese Inkompatibilität durch den Anta-
gonismus göttlicher Allmacht und menschlicher Freiheit. Auch die Gnaden- und
Prädestinationslehren der Frühen Neuzeit mühten sich an diesem Problem ab —
M. Luthers Grenzbegriff „Deus absconditus“ stellt eine extreme Lösung dar. Die hier
drohende Selbstzerstörung der Vernunft wurde vermieden durch die naturrechtliche
Modifikation des Gottesbegriffes, d.h. der völligen Unterordnung des Willens
Gottes unter seine Vernunft, und durch neue Begründungen des Zusammenhangs
zwischen subjektivem Freiheitsinteresse und objektivem Naturzusammenhang. An
lutherische und jesuitische Theologumena anknüpfend, formulierte G. W. Leibniz
eine monadologische Theodizee, die die unabweislich gewordenen Erwartungen der
Vernunft an die Vernunft Gottes zu befriedigen schien. Em Preis für diese Theorie
universaler Gerechtigkeit war freilich die Herauslösung der (apriorischen) Theodizee
aus der (zeitvarianten) religiösen Praxis, mit der Folge z.B. eines Klageverbots.
Die Empfindungen und Fragen von konkret Leidenden nicht wegzuerklären,
war dagegen die Forderung Voltaires angesichts von „Lissabon“ — unbeschadet der
physikalischen Rationalität auch des Erdbebens. Im dritten Schritt beschrieb der
Vortrag die in dieser Forderung liegende anthropologische Verlagerung der Theo-
dizee-Erwartung, ihre praktische Beschränkung durch I. Kant und die idealistische,
neuerlich universale Theodizee in der Philosophie G.W. F. Hegels. Das späte 18. Jh.
dissoziierte, philosophisch als auch theologisch, Mensch und (äußere) Natur; die bis-
lang physikotheologisch und theodizistisch artikulierten Erwartungen, die wirkliche
Welt möge dem Interesse der Vernunft an Freiheit, Gerechtigkeit und Fortschritt
entsprechen, teilten sich auf in anthropologische und naturwissenschaftliche Erwartungen
— um auf beiden Seiten gesteigert zu werden. Auch im Blick auf den Menschen, d.h.
auf seine Bestimmung zum Guten, seine „Bildung“ zur Humanität und auf die „Per-
fektibilität“ des Menschengeschlechts steigert sich der aufklärerische Optimismus;
die Debatte um die „beste Welt“ ebbte seit 1760 dagegen völlig ab. Dies kann man
einen Modernisierungsschub nennen, denn es wurde realisiert, daß der Umgang
auch mit natürlichen Übeln eine kulturelle Aufgabe darstellt. Die allerdings nötige
Dissoziation von Naturnotwendigkeit und Vernunftfreiheit bzw. von theoretischer
und praktischer Vernunft war freilich ihrerseits problematisch. Die erkenntniskriti-
sche Revision der Theodizee durch Kant und ihre Rekonstruktion als Logik des
 
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