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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2005 — 2006

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I. Das Geschäftsjahr 2005
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Antrittsreden
DOI Artikel:
Schleich, Wolfgang: Antrittsrede vom 16. Juli 2005
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https://doi.org/10.11588/diglit.67593#0125
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138 | ANTRITTSREDEN

war der Anblick eines weltbekannten Professors in einem Schlammloch oder auf
einem Misthaufen sehr eindrucksvoll.
Nach der erfolgreichen Verteidigung meiner Dissertation an der Ludwig-
Maximilians-Universität im Mai 1984 bekam ich überraschend ein Telegramm von
Prof. John Archibald Wheeler, in dem er mich einlud, bei ihm als Assistent an der
Umversity of Texas at Austin zu arbeiten. In der heutigen schnelllebigen Zeit
bestimmt durch Fax und Email kann man die Bedeutung eines Telegramms kaum
noch würdigen. Damals waren Telegramme äußerst selten und eines von einem so
berühmten Wissenschaftler zu bekommen, löste großes Aufsehen im Institut aus.
Professor Wheeler ist der Begründer der amerikanischen Schule der Relati-
vitätstheorie und gilt als Vater der „Schwarzen Löcher“. Darüber hinaus hat er auch
sehr bedeutende Arbeiten in der Kernphysik verfasst, so gehen die S-Matrix, die
Theorie der Kernspaltung und das kollektive Kernmodell auf ihn zurück. Während
meiner Zeit in Texas war sein Interesse auf den Messprozess in der Quantenmecha-
nik gerichtet. Deshalb beschäftigten wir uns mit der Anwendung von semiklassischen
Methoden der Quantenmechanik auf Fragen der Quantenoptik. Insbesondere
konnten wir zeigen, dass gequetschtes Licht unter bestimmten Bedingungen eine
oszillierende Photonenstatistik zeigt. Dazu entwickelten wir einen anschaulichen
Formalismus im quantenmechanischen Phasenraum, den wir „Interferenz im Pha-
senraum“ nannten. Im Sommer 1986 kehrte ich dann auf Einladung von Prof.
Walther wieder an das Max-Planck-Institut für Quantenoptik zurück und be-
reitete das in Texas gewonnene Material für Veröffentlichungen vor. Daraus entstand
dann auch meine Habilitationsschrift, die ich 1989 unter der Mentorenschaft
von Prof. Süßmann und Prof. Walther an der Ludwig-Maximilians-Universität ver-
teidigte.
Die Zeit in Texas und insbesondere Prof. Wheelers einzigartig tiefes Verständ-
nis der Physik haben mich stark geprägt. Mit wenigen Worten und ohne Gleichun-
gen konnte er einen sehr komplizierten Sachverhalt auf elementare Ideen zurück-
führen. Nie wollte er Gleichungen sehen. Sein Motto war und ist: „Sagen Sie mir in
einem Satz, was das Wesentliche Ihrer Ergebnisse ist“. Zusammen haben wir zahl-
reiche Publikationen verfasst. Unsere letzte gemeinsame Arbeit erschien 2001 in
Physical Review A. Am 9. Juli ist übrigens Prof. Wheeler 94 Jahre alt geworden und
erfreut sich guter Gesundheit.
Eine sehr bemerkenswerte Eigenschaft von Prof. Wheeler ist auch seine Liebe
für Explosionen und Feuerwerke. In seinem Büro hatte er immer eine Schachtel mit
Knallkörpern. Wann immer jemand em interessantes Resultat fand, wurde ein Knall-
körper auf dem Korridor zur Explosion gebracht. Zu Beginn erregte dies noch die
allgemeine Aufmerksamkeit des gesamten Korridors, später jedoch winkten die Kol-
legen nur ab: „Ja, das ist mal wieder Prof. Wheeler!“.
Professor Wheeler ist sicher auch einer der wenigen theoretischen Physiker, die
eine Insel besitzen. So verbringt er immer den Sommer in Maine in der Nähe von
Damariscotta auf der Halbinsel South Bristol bei Christmas Cove. Dort befindet sich
auch seine Kanone aus dem spanisch-mexikanischen Krieg. Eine Vorliebe von ihm
ist, damit Bierbüchsen ins Meer zu befördern. Natürlich muss zunächst das Bier aus
 
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