Metadaten

Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2005 — 2006

DOI Kapitel:
I. Das Geschäftsjahr 2005
DOI Kapitel:
Nachrufe
DOI Artikel:
Stietencron, Heinrich von: Hermann Berger (17.10.1926 - 31.1.2005)
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.67593#0137
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
150

NACHRUFE

Völkerbewegungen, während sich an den Unterläufen des Gletscherwassers dieser
Täler die sprachlichen Spuren durchziehender Arier, Griechen, Saken, Parther,
Kushan, Inder, Perser und Afghanen überlagern. Hier war er auf eine Sprache
gestoßen, die von großem sprachgeschichtlichem Interesse ist, die aber unter dem
Einfluss moderner Kommunikationsmittel und -wege möglicherweise nicht mehr
lange bewahrt werden kann, es sei denn, es entwickele sich am Medium dieser
Sprache ein politisches Bewusstsein regionaler Identität, wie dies z.B. im Baskenland
der Fall war.
Das Bewusstsein der Dringlichkeit dieser Forschung, sowohl für die historische
Sprachwissenschaft, als auch für die Rettung alten Kulturguts, hat Berger jahrelang
begleitet. Drei Forschungsaufenthalte bei den Burusho in den Hochtälern von
Hunza, Nager undYasin (1961, 1983, 1987) gaben ihm Gelegenheit, diese Dialekte
zu dokumentieren und zu studieren und bildeten das Fundament seiner schwierigen
Forschungsaufgabe. Auch lieferten ihm, als der Zugang zur Region für Ausländer
geschlossen wurde, Kontakte mit Burushaski-Sprechern in Gilgit und Rawalpindi
weiteres Material für sein eigentliches Lebenswerk: die Darstellung der Sprache
Burushaski mit Grammatik, Wortschatz und überlieferten Texten, deren erster Teil
schon seit 1974 vorliegt, während drei weitere Bände erst 1998 folgten.3
Als Abschluss seiner Arbeit am Burushaski hat Berger den Versuch unternom-
men, aus den unterschiedlichen Dialekten das Gemeinsame und das Divergierende
herauszuarbeiten und in Form einer historischen Grammatik des Burushaski darzu-
stellen. Erfreulicherweise bekam Berger für diese schwierige Aufgabe ab 1990
Unterstützung von einem seiner Schüler, dem jetzt an der Universität Mainz leh-
renden Privatdozenten Dr. Hugh van Skyhawk, dessen Habilitationsschrift (2001,
publiziert 2003) den überlieferten Texten im Burushaski-Dialekt der alten, nahe am
Gletscher gelegenen Sträflingssiedlung Hispar galt.4 Während van Skyhawk dort
forschte, hatte Berger über ihn die Möglichkeit zu Rückfragen an die Burushaski-
Sprecher. Berger analysierte die Sprache nach seinen Notizen, identifizierte Proble-
me und formulierte Fragen, van Skyhawk versuchte bei den Burusho in seinem For-
schungsgebiet die Antworten zu erfragen, die dann, bei Berger angelangt, eventuell
zu weiteren Fragen führten. Diese Möglichkeit der Kommunikation war für Berger
in den Jahren nach 1990 eine bedeutende Hilfe. Die Arbeit an diesem Versuch einer
historischen Grammatik wurde kurz vor seinem Tode abgeschlossen. Ihre Publikati-
on steht noch aus, wird aber von Kollegen mit großem Interesse erwartet. Selten
konnte sich ein Forscher so tief in eine altertümliche Sprache und die in ihr tra-
dierten kulturellen Inhalte einarbeiten wie Hermann Berger, der sich seit 1959 fast

3 Das Yasin-B urushaski (Werchikwar). Grammatik,Texte, Wörterbuch. Neuindische Studien Bd. 3,
Wiesbaden 1974; Die Burushaski-Sprache von Hunza und Nager (in 3 Bänden). Band I: Gram-
matik, Band II: Texte mit Übersetzung, Band III: Wörterbuch Burushaski-Deutsch/Deutsch-
Burushaski. Wiesbaden 1998.
4 Burushaski-Texte aus Hispar: Materialien zum Verständnis einer archaischen Bergkultur in Nord-
pakistan. Beiträge zur Indologie Bd. 38, Wiesbaden: O. Harrassowitz 2003.
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften