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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2006 — 2006

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I. Das Geschäftsjahr 2006
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Jahresfeier am 20. Mai 2006
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Jäger, Willi: Mathematische Modelle und Computersimulation biologischer Prozesse: Realität in Silico?
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https://doi.org/10.11588/diglit.66961#0034
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JAHRESFEIER

Aber bereits vor ihm bzw. etwa gleichzeitig ist es den Chemikern Friedlieb
Ferdinand Runge (1795—1867) bzw. Raphael Eduard Liesegang (1869—1947) gelun-
gen, die Strukturbildung in der belebten Natur mit der in der unbelebten direkt in
Verbindung zu bringen. Runge, der Pionier der Farbenchemie und der Chromato-
graphie, verband die Formenbildung, die er bei der Diffusion und der Wechselwir-
kung von chemischen Substanzen in Filtern beobachtete, sofort mit der Ausbildung
von Strukturen in der belebten Natur. Die auch ästhetisch ansprechenden Muster-
bildungen in Filterpapier, die zu seiner Zeit als Professorenklexe bezeichnet wurden
und über die Zeiten hinweg auch in der Kunst [35] weiterleben, entstehen in der Tat
durch physikalisch-chemische Prozesse, wie sie in vielen biologischen Systemen auf-
treten.


Friedrich Ferdinand Runge
(1795-1867)


Professorenklexe


Figur 11

Runge schrieb in seinem dem Preußischen König gewidmeten Buch „Der Bildungs-
trieb der Stoffe. Veranschaulicht in selbständig gewachsenen Bildern“ (1855) [33]:
„Nach allem glaube ich nun, die Behauptung aussprechen zu können, dass bei der
Gestaltung dieser Bilder eine neue, bisher unbekannt gewesene Kraft tätig ist. [...] Sie wird
nicht durch ein Äußeres erregt oder angefacht, sondern wohnt den Stoffen ursprünglich inne,
und zeigt sich wirksam, wenn diese sich in ihren chemischen Gegensätzen ausgleichen, das
heißt durch Wahlanziehung und Abstoßung verbinden und trennen. Ich nenne diese Kraft
„Bildungstrieb“ und betrachte sie als das Vorbild der in den Pflanzen und Tieren tätigen
Lebenskraft. “
In diesem Text drückt Runge in der Sprache seiner Zeit aus, was heute als Selbst-
organisation bezeichnet wird. Bei seinen Untersuchungen zur Chemie der Fotogra-
phie entdeckte Liesegang periodische Fällungserscheinungen in Gelen (1886), die als
Liesegang-Ringe bekannt wurden und Beispiel für Prozesse sind, in denen Stoffe
sich räumlich ausbreiten, miteinander reagieren und in neue Zustandsphasen über-
gehen. Liesegang erkannte, dass derartige Prozesse nicht nur in der unbelebten Natur
sondern auch in der belebten Natur ablaufen. Seine „Beiträge zu einer Kolloidalchemie
 
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