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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2006 — 2006

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I. Das Geschäftsjahr 2006
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Wissenschaftliche Sitzungen
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Sitzung der Math.-nat. Klasse am 29. April 2006
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Pfanner, Nikolaus: Proteinverkehr in lebenden Zellen - von molekularen Pförtnern und Anstandsdamen
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https://doi.org/10.11588/diglit.66961#0058
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SITZUNGEN

einer biologischen Membran, einer doppelten Fettschicht mit eingelagerten Prote-
inen, umgeben. Zusätzlich werden die Zellen durch Membranen in interne Kom-
partimente unterteilt, die Zellorganellen genannt werden. Zu den Zellorganellen
zählen: der Zellkern, der als Schaltzentrale die Chromosomen mit den Genen ent-
hält; die Mitochondrien („zelluläre Kraftwerke“), die entscheidend für die Energie-
bereitstellung sind; das Endoplasmatische Retikulum und der Golgi-Apparat, die für
die Synthese, Verpackung und den Export von Proteinen zuständig sind; Peroxiso-
men mit einer Rolle in der Entgiftung von Stoffwechselprodukten; und Lysosomen,
die eine zentrale Aufgabe bei der Müllverwertung von Zellen haben; dazu kommen
bei Pflanzen die Chloroplasten, die grünen Zellorganellen mit der Fähigkeit zur
Nutzung des Sonnenlichtes in der Photosynthese.
Proteine (Eiweiße) sind die vielseitigsten Moleküle in Zellen. Sie sind an nahe-
zu allen Stoffwechselprozessen und lebensnotwendigen Reaktionen beteiligt. Pro-
teine können als die „Arbeiter“ der lebenden Zellen angesehen werden; so sind fast
alle Enzyme von Ihrem Aufbau her Proteine. Da Proteine nur eine begrenzte
Lebensdauer haben, werden sie fortlaufend in den Zellen hergestellt. Der Hauptort
für die Synthese von neuen Proteinen ist das Cytosol, der Raum im Zellinnern, der
zwischen den Zellorganellen gelegen ist. Nach der Synthese müssen die neu herge-
stellten Proteine auf die verschiedenen Zellorganellen verteilt werden. Dazu enthal-
ten die Proteine Sortierungssignale, die nach dem Prinzip von Postleitzahlen funk-
tionieren. Die Sortierungssignale unterscheiden sich je nach dem Bestimmungsort
der Proteine und werden von molekularen Briefträgern und Pförtnern erkannt.
Am Beispiel der zellulären Kraftwerke (Mitochondrien) soll der Weg von neu
synthetisierten Proteinen von ihrem Herstellungsort zu ihrem Arbeitsplatz erläutert
werden. Mitochondrien werden von zwei Membranen umgeben und enthalten etwa
1000 verschiedene Proteine, die nahezu alle außerhalb der Zellorganelle, d.h. im
Cytosol, als Vorstufen hergestellt werden und somit in die Mitochondrien importiert
werden müssen. Die Vorstufenproteine enthalten Signalsequenzen, die aus etwa 20
Aminosäuren bestehen. Im typischen Falle sind die Signalsequenzen positiv geladen
und werden von Bindeproteinen (Rezeptoren) an der Oberfläche der Mitochon-
drien erkannt. Diese Rezeptoren sind selbst wiederum Proteine und fungieren als
Briefträger und Pförtner. Sie lesen die Signalsequenzen („Postleitzahlen“) und bei
korrekter Erkennung wird das Vorstufenprotein an eine Schleuse weitergereicht, die
durch die Außenmembran der Mitochondrien reicht. Diese Schleuse öffnet sich zu
einem Kanal, durch den das Vorstufenprotein in einer aufgefalteten Form hindurch
treten kann. An der Innenmembran der Mitochondrien gibt es weitere Pförtner und
Schleusen, die den Transport der Proteine über die zweite Membran durchführen.
Der Proteintransport wird durch zwei Energiequellen angetrieben, die elektri-
sche Spannung an der Innenmembran der Mitochondrien und der Energieüberträ-
ger Adenosintriphosphat (ATP), ein Molekül, das in den Mitochondrien hergestellt
wird. ATP wird benötigt, um den Importmotor der Mitochondrien anzutreiben.
Dieser Motor besteht aus mehreren verschiedenen Proteinen. Die zentrale Motor-
komponente ist eine so genannte „molekulare Anstandsdame“ (vom englischen
„chaperone“). Die molekularen Anstandsdamen haben die Aufgabe, anderen Pro-
 
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