15. Juli 2006
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die Erde kommen. Aber er ist nicht anzubeten. Ebenso sind die Gestirne machtvoll,
nicht nur als natürliche Größen, sondern auch als kulturbestimmende Kräfte. Sie
setzen nicht nur die Zeiten, sondern auch die Festtage fest. Aber auch sie sind nicht,
wie in manchen anderen Religionen Brauch, als Götter zu verehren. Während
andere altorientalische Schöpfungsberichte von einem Kampf Gottes oder der Göt-
ter mit den Chaosmächten, z.B. aus der Tiefe des Meeres, sprechen, heißt es Genesis
1,20f: „Das Wasser wimmelte von lebendigen Wesen und Vögel sollen über dem
Land am Himmelsgewölbe dahinfliegen. Gott schuf alle Arten von großen Seetieren
und anderen Lebewesen, von denen das Wasser wimmelt.“ Große Seetiere — Luther
übersetzt Walfische — erinnern an die Monster aus der Tiefe in anderen Schöpfungs-
berichten, mit denen der Gott dort kämpfen muss. Die großen Monster werden hier
aber naturalisiert und säkularisiert. Die Geschöpfe sind keine Götter, auch dann
nicht, wenn sie über beträchtliche Macht verfügen. Sie erzeugen mit ihrer Macht
aber Konflikte und Risiken in der Schöpfung.
Das zeigt sich besonders im Herrschaftsauftrag, den die Menschen erhalten:
„Und Gott segnete sie und sprach zu ihnen: Seid fruchtbar und mehrt euch und füllt
die Erde und macht sie euch untertan und herrscht über die Fische im Meer und
die Vögel des Himmels, über das Vieh und über alles Getier, das auf Erden kriecht“
(Genesis 1,28). Die Verben „macht sie euch untertan“ und „herrscht“ sprechen
Eroberer- und Sklavenhaltersprache. Ein naives Denken hat in den 60er und 70er
Jahren daraus abgeleitet, schon der biblische Schöpfungsbericht vertrete einen öko-
logischen Brutalismus, er propagiere schon Descartes’ „maitre et possesseur de la
nature“.Eine gleichfalls etwas einfältige Theologie hat angesichts dieser Anklage vor-
geschlagen, sich stärker auf den sogenannten j ahwistischen Schöpfungsbericht Gene-
sis 2 zu konzentrieren und darauf aufmerksam zu machen, dass dort doch von
„Bebauen und Bewahren“ die Rede sei und dass dies wohl als der angemessene
Umgang mit der Schöpfung angesehen werden müsse.
Gegenüber solchem Lavieren ist deutlich zu sehen, dass der priesterschriftliche
Schöpfungsbericht Genesis 1 ausdrücklich das Problem anspricht, dass sowohl den
Menschen als auch den Tieren eine gemeinsame Sphäre der Nahrungsaufnahme
zugewiesen wird, dass es also zu Interessenkonflikten kommen muss. Diese Interes-
senkonflikte werden mit dem Herrschaftsauftrag eindeutig zugunsten des Menschen
geregelt. Aller Naturschwärmerei zum Trotz liegt hier ein klarer Anthropozentrismus
vor. Doch dabei ist nicht einem ungebremsten Brutalismus gegenüber den Mitge-
schöpfen das Wort geredet. Dies wiederum macht die berühmte Bestimmung des
Menschen zur Imago Dei, zum Bild Gottes, deutlich: „Und Gott schuf den Men-
schen zu seinem Bilde, zum Bilde Gottes schuf er ihn, und er schuf sie als Mann und
Frau“ (Genesis 1,27). Die Rede von der Imago Dei entstammt altorientalischer
Königsideologie und ist verbunden mit der Erwartung, dass der Herrscher Gerech-
tigkeit übt und die Schwachen schützt. Der priesterschriftliche Schöpfungsbericht
entwickelt also ein subtiles Ethos der Herrschaftsstellung des Menschen. Einerseits
wird die Reproduktion und Ausbreitung der Menschen über die Erde bejaht und
gegenüber den Tieren privilegiert, andererseits soll der Mensch die Imago Dei spie-
geln, d.h. er soll als Bild Gottes herrschen und für Gerechtigkeit und den Schutz der
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die Erde kommen. Aber er ist nicht anzubeten. Ebenso sind die Gestirne machtvoll,
nicht nur als natürliche Größen, sondern auch als kulturbestimmende Kräfte. Sie
setzen nicht nur die Zeiten, sondern auch die Festtage fest. Aber auch sie sind nicht,
wie in manchen anderen Religionen Brauch, als Götter zu verehren. Während
andere altorientalische Schöpfungsberichte von einem Kampf Gottes oder der Göt-
ter mit den Chaosmächten, z.B. aus der Tiefe des Meeres, sprechen, heißt es Genesis
1,20f: „Das Wasser wimmelte von lebendigen Wesen und Vögel sollen über dem
Land am Himmelsgewölbe dahinfliegen. Gott schuf alle Arten von großen Seetieren
und anderen Lebewesen, von denen das Wasser wimmelt.“ Große Seetiere — Luther
übersetzt Walfische — erinnern an die Monster aus der Tiefe in anderen Schöpfungs-
berichten, mit denen der Gott dort kämpfen muss. Die großen Monster werden hier
aber naturalisiert und säkularisiert. Die Geschöpfe sind keine Götter, auch dann
nicht, wenn sie über beträchtliche Macht verfügen. Sie erzeugen mit ihrer Macht
aber Konflikte und Risiken in der Schöpfung.
Das zeigt sich besonders im Herrschaftsauftrag, den die Menschen erhalten:
„Und Gott segnete sie und sprach zu ihnen: Seid fruchtbar und mehrt euch und füllt
die Erde und macht sie euch untertan und herrscht über die Fische im Meer und
die Vögel des Himmels, über das Vieh und über alles Getier, das auf Erden kriecht“
(Genesis 1,28). Die Verben „macht sie euch untertan“ und „herrscht“ sprechen
Eroberer- und Sklavenhaltersprache. Ein naives Denken hat in den 60er und 70er
Jahren daraus abgeleitet, schon der biblische Schöpfungsbericht vertrete einen öko-
logischen Brutalismus, er propagiere schon Descartes’ „maitre et possesseur de la
nature“.Eine gleichfalls etwas einfältige Theologie hat angesichts dieser Anklage vor-
geschlagen, sich stärker auf den sogenannten j ahwistischen Schöpfungsbericht Gene-
sis 2 zu konzentrieren und darauf aufmerksam zu machen, dass dort doch von
„Bebauen und Bewahren“ die Rede sei und dass dies wohl als der angemessene
Umgang mit der Schöpfung angesehen werden müsse.
Gegenüber solchem Lavieren ist deutlich zu sehen, dass der priesterschriftliche
Schöpfungsbericht Genesis 1 ausdrücklich das Problem anspricht, dass sowohl den
Menschen als auch den Tieren eine gemeinsame Sphäre der Nahrungsaufnahme
zugewiesen wird, dass es also zu Interessenkonflikten kommen muss. Diese Interes-
senkonflikte werden mit dem Herrschaftsauftrag eindeutig zugunsten des Menschen
geregelt. Aller Naturschwärmerei zum Trotz liegt hier ein klarer Anthropozentrismus
vor. Doch dabei ist nicht einem ungebremsten Brutalismus gegenüber den Mitge-
schöpfen das Wort geredet. Dies wiederum macht die berühmte Bestimmung des
Menschen zur Imago Dei, zum Bild Gottes, deutlich: „Und Gott schuf den Men-
schen zu seinem Bilde, zum Bilde Gottes schuf er ihn, und er schuf sie als Mann und
Frau“ (Genesis 1,27). Die Rede von der Imago Dei entstammt altorientalischer
Königsideologie und ist verbunden mit der Erwartung, dass der Herrscher Gerech-
tigkeit übt und die Schwachen schützt. Der priesterschriftliche Schöpfungsbericht
entwickelt also ein subtiles Ethos der Herrschaftsstellung des Menschen. Einerseits
wird die Reproduktion und Ausbreitung der Menschen über die Erde bejaht und
gegenüber den Tieren privilegiert, andererseits soll der Mensch die Imago Dei spie-
geln, d.h. er soll als Bild Gottes herrschen und für Gerechtigkeit und den Schutz der