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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2006 — 2006

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I. Das Geschäftsjahr 2006
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Wissenschaftliche Sitzungen
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Gesamtsitzung am 15. Juli 2006
DOI Kapitel:
Verleihung des Akademiepreises an Manfred Lein
DOI Artikel:
Lein, Manfred: Attosekundendynamik in Molekülen
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https://doi.org/10.11588/diglit.66961#0078
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SITZUNGEN

gründ des Energieerhaltungsgesetzes in eindeutiger Weise die Frequenz der emit-
tierten Strahlung. Dies fuhrt also dazu, dass eine bestimmte abgestrahlte Frequenz
genau einer Verzögerungszeit zwischen Pump und Probe entspricht, so dass die
Intensität dieser Frequenz Information über den Zustand des Moleküls zu der
zugehörigen Zeit enthält. Leider wird die Intensität zusätzlich von vielen anderen
Faktoren bestimmt. Diese können jedoch eliminiert werden, indem man zwei unter-
schiedlich schwere, aber sonst identische Moleküle vergleicht, d.h. zwei verschiede-
ne Isotope. Das Verhältnis der Intensitäten hängt dann nur noch von der Atombe-
wegung ab, da alle anderen Effekte unabhängig vom Isotop sind und sich somit beim
Bilden des Verhältnisses herauskürzen. Letztlich kann also der Vergleich der hohen
Harmonischen von zwei verschiedenen Isotopen Information über die Moleküldy-
namik geben, und tatsächlich ist eine Rekonstruktion der Dynamik mit Hilfe eines
so genannten genetischen Algorithmus möglich.
In der Arbeitsgruppe von Prof. Jon Marangos am Imperial College London
wurden Experimente zum Vergleich von Wasserstoffmolekülen (H2) und Deuteri-
ummolekülen (schwerer Wasserstoff D2) durchgeführt. Durch die Ionisation des
Wasserstoffmoleküls wird ein H2+-Ion erzeugt, welches sich nicht im Grundzustand
befindet, sondern eine Vibrationsbewegung ausführt. Der Beginn der Molekül-
schwingung im ionisierten Molekül konnte mit Hilfe der Messung der Harmoni-
schen mit einer Zeitauflösung von etwa 100 Attosekunden verfolgt werden. Dies
stellt die bisher schnellste Messung von molekularer Dynamik dar. Die Ergebnisse
wurden 2006 veröffentlicht in Science, Vol. 312, S. 424.
Neben der hohen Zeitauflösung gibt es einen wesentlichen Unterschied zur
gewöhnlichen Pump-Probe-Spektroskopie: Ein ganzer Bereich von unterschied-
lichen Verzögerungszeiten wird automatisch schon innerhalb eines einzigen Laser-
pulses realisiert, wohingegen ein traditionelles Pump-Probe-Experiment oft wieder-
holt werden muss, um verschiedene Zeiten abzutasten. Aus diesem Grund kann die
hier vorgestellte Methode als eine Echtzeitmethode bezeichnet werden. Der Begriff
Echtzeit bedeutet an dieser Stelle, dass die Messung eines physikalischen Prozesses
simultan während des einmaligen Ablaufens des Prozesses erfolgt, ähnlich einer Live-
Ubertragung im Fernsehen. In der Vergangenheit wurden oftmals auch gewöhnliche
Pump-Probe-Schemata als Echtzeitmessungen bezeichnet, obwohl dort die Bedeu-
tung des Begriffs unklar ist.
Die experimentelle Methode kann ohne Schwierigkeiten nicht nur aufWas-
serstoff, sondern auch auf größere, mehratomige Moleküle angewandt werden, wie
am Beispiel Methan schon in der oben genannten Veröffentlichung demonstriert
wurde. Allerdings ist die theoretische Auswertung in diesem Fall erheblich kompli-
zierter, so dass eine vollständige Rekonstruktion der Molekülbewegung in diesem
Fall noch nicht möglich ist. Dennoch kann die Messung eine Aussage zur relevan-
ten Zeitskala liefern. Neben der Rekord-Zeitauflösung bietet die neue Methode die
vielversprechende Möglichkeit, Moleküldynamik in Gegenwart eines starken Laser-
feldes zu messen.
 
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