272 | FÖRDERUNG DES WISSENSCHAFTLICHEN NACHWUCHSES
Erstens: Europäische Vergangenheitskonstruktionen
Europas Kultur ist wie selbstverständlich Europas Geschichte; kulturelle Grundlagen
sind historische Grundlagen; die Vergangenheit Europas avanciert zum zentralen
Deutungshorizont, ja Deutungsraum Europas. Doch die Konstruktion von Vergan-
genheit ist selbst ein alles andere als selbstverständlicher Aspekt Europas und seiner
Entwicklung zur europäischen Einigung: ist eine kulturelle Grundlage, die sich
weder historisch noch systematisch allzu einfach auf einen Nenner bringen lässt —
noch im Hinblick auf die Forschungsfelder, die sie generierte.
Eben diese Problematisierung war der gemeinsame Ausgangspunkt, der sich
unsere interdisziplinäre Forschungsgruppe — ein Kooperationsexperiment eines
Mittel- und Neulateiners, einer Romanistin, eines Germanisten und eines Poli-
tikwissenschaftlers — stellte. Wenn das Thema unseres Projektes somit Europäische
Vergangenheitskonstruktionen als kulturelle Grundlagenfunktionen war, dann hatte dies
in der Umsetzung zwei allgemeine Konsequenzen bzw. Implikationen:
Erstens galt es, einen Ansatz zu entwickeln, der sich von der üblichen Herange-
hensweise unterschied: ein weiteres Projekt zum „Kulturellen Gedächtnis“, zur
Begriffsgeschichte der „Geschichte“ oder zur narrativen Dimensionierung der
Historiografie ä la Hayden White schien uns ebenso wenig ausreichend wie jün-
gere Versuche, dieses allgemeine Forschungsfeld über eine Kopplung von „histo-
rischer Mnemonik“ und „Hirnforschung“ erneuern zu wollen. Diesen unseren
Ansatz galt es dann, einerseits als methodisches Problem zur Debatte zu stellen
sowie vor allem an einschlägigen Einzelstudien in seiner Leistungskraft zu demon-
strieren.
Zweitens galt es, im Hinblick auf die Frage des WIN-Kollegs nach kulturellen
Grundlagen Europas konsequent zu sein, galt es, unsere Skepsis, die Frage nach
kulturellen Grundlagen Europas ,materiell’ — also durch Angabe einer spezifischen
kulturellen Grundlage - zu Ende zu denken: denn wo die Frage nach kulturellen
Grundlagen problematisiert, ja selbst zum Gegenstand geworden ist, steht auch das
Verhältnis zwischen Europa und seinen kulturellen Grundlagen im Ganzen auf
dem Spiel: was, so die jetzt invertierte Grundfrage, impliziert es eigentlich, im
Horizont der Europäischen Einigung bzw. der Europäischen Union kulturelle
Grundlagen zu behaupten und zu konstruieren? Welche Rolle spielt für das Pro-
jekt, für das gesellschaftliche Imaginäre Europas der Rekurs auf Vergangenheit?
Die methodischen und inhaltlichen Ergebnisse, die damit verbundenen gemein-
samen Aktivitäten und vor allem auch die künftigen Ziele seien im Folgenden kurz
skizziert, die wir in bezug auf jene zwei Grundfragen zu erreichen versucht bzw. uns
vorgenommen haben.
Grundlegend für unseren Ansatz ist es,
• erstens über den ‘neutralen’, ‘unmarkierten’ Begriff der ‘Vergangenheit’ einen
kulturwissenschaftlichen Erkenntnisraum zu eröffnen, in dem zumeist separat
betrachtete Phänomene - Mythos, Geschichte, Geschichtswissenschaft, ‘Gedächt-
nis’,‘Erinnerung’ — gemeinsam diskutiert werden, sowie
Erstens: Europäische Vergangenheitskonstruktionen
Europas Kultur ist wie selbstverständlich Europas Geschichte; kulturelle Grundlagen
sind historische Grundlagen; die Vergangenheit Europas avanciert zum zentralen
Deutungshorizont, ja Deutungsraum Europas. Doch die Konstruktion von Vergan-
genheit ist selbst ein alles andere als selbstverständlicher Aspekt Europas und seiner
Entwicklung zur europäischen Einigung: ist eine kulturelle Grundlage, die sich
weder historisch noch systematisch allzu einfach auf einen Nenner bringen lässt —
noch im Hinblick auf die Forschungsfelder, die sie generierte.
Eben diese Problematisierung war der gemeinsame Ausgangspunkt, der sich
unsere interdisziplinäre Forschungsgruppe — ein Kooperationsexperiment eines
Mittel- und Neulateiners, einer Romanistin, eines Germanisten und eines Poli-
tikwissenschaftlers — stellte. Wenn das Thema unseres Projektes somit Europäische
Vergangenheitskonstruktionen als kulturelle Grundlagenfunktionen war, dann hatte dies
in der Umsetzung zwei allgemeine Konsequenzen bzw. Implikationen:
Erstens galt es, einen Ansatz zu entwickeln, der sich von der üblichen Herange-
hensweise unterschied: ein weiteres Projekt zum „Kulturellen Gedächtnis“, zur
Begriffsgeschichte der „Geschichte“ oder zur narrativen Dimensionierung der
Historiografie ä la Hayden White schien uns ebenso wenig ausreichend wie jün-
gere Versuche, dieses allgemeine Forschungsfeld über eine Kopplung von „histo-
rischer Mnemonik“ und „Hirnforschung“ erneuern zu wollen. Diesen unseren
Ansatz galt es dann, einerseits als methodisches Problem zur Debatte zu stellen
sowie vor allem an einschlägigen Einzelstudien in seiner Leistungskraft zu demon-
strieren.
Zweitens galt es, im Hinblick auf die Frage des WIN-Kollegs nach kulturellen
Grundlagen Europas konsequent zu sein, galt es, unsere Skepsis, die Frage nach
kulturellen Grundlagen Europas ,materiell’ — also durch Angabe einer spezifischen
kulturellen Grundlage - zu Ende zu denken: denn wo die Frage nach kulturellen
Grundlagen problematisiert, ja selbst zum Gegenstand geworden ist, steht auch das
Verhältnis zwischen Europa und seinen kulturellen Grundlagen im Ganzen auf
dem Spiel: was, so die jetzt invertierte Grundfrage, impliziert es eigentlich, im
Horizont der Europäischen Einigung bzw. der Europäischen Union kulturelle
Grundlagen zu behaupten und zu konstruieren? Welche Rolle spielt für das Pro-
jekt, für das gesellschaftliche Imaginäre Europas der Rekurs auf Vergangenheit?
Die methodischen und inhaltlichen Ergebnisse, die damit verbundenen gemein-
samen Aktivitäten und vor allem auch die künftigen Ziele seien im Folgenden kurz
skizziert, die wir in bezug auf jene zwei Grundfragen zu erreichen versucht bzw. uns
vorgenommen haben.
Grundlegend für unseren Ansatz ist es,
• erstens über den ‘neutralen’, ‘unmarkierten’ Begriff der ‘Vergangenheit’ einen
kulturwissenschaftlichen Erkenntnisraum zu eröffnen, in dem zumeist separat
betrachtete Phänomene - Mythos, Geschichte, Geschichtswissenschaft, ‘Gedächt-
nis’,‘Erinnerung’ — gemeinsam diskutiert werden, sowie