Das WIN-Kolleg
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• zweitens europäische Konstruktionen von Vergangenheit als kulturelle Praktiken zu
verstehen, über die die Existenz und Gestalt politischer Entitäten vermittelt werden,
über die Legitimität, Interessen, Gegensätze, Ideologien konzeptualisiert, vertei-
digt, delegitimiert werden.
Schnell wurde deutlich, dass die Chance einer derartigen Perspektivierung — gerade
aus Sicht der Literatur- und Kulturwissenschaften — in einer programmatischen Ver-
bindung eines ‘archäologischen’ und eines ‘genealogischen’ Blickes lag.
Es gilt somit einerseits, die textuelle und diskursive Gemachtheit von Vergan-
genheitskonstruktionen, ihre Logik als Produkte, in den Blick zu nehmen, also etwa
zu fragen:
• Welche Rationalitäten, diskursiven und vor allem literarischen Strategien in ihnen
wirken;
• welche grundsätzlichen Darstellungskonflikte und inneren Widersprüche sie
bestimmen;
• in welchem Verhältnis sie zu anderen zeitgenössischen Wissensformen und Dis-
kursen stehen und in welchen intertextuellen Räumen sie konstruiert werden.
Andererseits ist es wichtig, die ‘kommunikativen’ und ‘politischen’ Bedingungen
europäischer Vergangenheitskonstruktionen zu berücksichtigen und sie als Aspekt
politischer ‘Räume’ und ‘politischer Kulturen’ zu verstehen:
• Was wird über Vergangenheitsdiskurse legitimiert, was delegitimiert (und was
nicht)?
• Welche Rolle spielen Herrschaftskonzepte bei der Konstruktion spezifischer Ver-
gangenheitskonstruktionen?
• Welche politischen Konflikte werden in ihnen verhandelt oder vermittelt und
inwiefern sind sie ‘politisiert’, also Moment(e) von Auseinandersetzungen um
Ansehen, Ressourcen?
• Wie wird das Wissen um die Vergangenheit verwaltet? Wer sind die Träger und
Produzenten von Vergangenheitskonstruktionen? Inwiefern sind Vergangenheits-
diskurse mit dem symbolischen Kapital und politischen Anspruch spezifischer
Gruppen verbunden?
Ein erster Test dieses Ansatzes lag dabei in unserer Tagung Diesseits von Geschichte und
Gedächtnis, die in Zusammenarbeit mit der Universität Köln durchgefiihrt wurde. In
ständiger Fortführung begriffen sind unsere Einzelprojekte, die sich a) der Historio-
graphie im Ferrara der Este (FRANK bezner), b) dem Galliermythos in der franzö-
sischen Historiographe des 16. Jahrhunderts (KIRSTEN MAHLKE), c) dem deutsch-
französischen Europäisierungsdiskurs (STEFAN SEIDENDORF) und d) der Verge-
meinschaftungsproblematik im deutschen Kriegsroman (MATTHIAS SCHÖNING)
widmen. Sie wurden zum Teil vollständig abgeschlossen (Dissertation Seidendorf),
zum Teil auszugsweise publiziert.
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• zweitens europäische Konstruktionen von Vergangenheit als kulturelle Praktiken zu
verstehen, über die die Existenz und Gestalt politischer Entitäten vermittelt werden,
über die Legitimität, Interessen, Gegensätze, Ideologien konzeptualisiert, vertei-
digt, delegitimiert werden.
Schnell wurde deutlich, dass die Chance einer derartigen Perspektivierung — gerade
aus Sicht der Literatur- und Kulturwissenschaften — in einer programmatischen Ver-
bindung eines ‘archäologischen’ und eines ‘genealogischen’ Blickes lag.
Es gilt somit einerseits, die textuelle und diskursive Gemachtheit von Vergan-
genheitskonstruktionen, ihre Logik als Produkte, in den Blick zu nehmen, also etwa
zu fragen:
• Welche Rationalitäten, diskursiven und vor allem literarischen Strategien in ihnen
wirken;
• welche grundsätzlichen Darstellungskonflikte und inneren Widersprüche sie
bestimmen;
• in welchem Verhältnis sie zu anderen zeitgenössischen Wissensformen und Dis-
kursen stehen und in welchen intertextuellen Räumen sie konstruiert werden.
Andererseits ist es wichtig, die ‘kommunikativen’ und ‘politischen’ Bedingungen
europäischer Vergangenheitskonstruktionen zu berücksichtigen und sie als Aspekt
politischer ‘Räume’ und ‘politischer Kulturen’ zu verstehen:
• Was wird über Vergangenheitsdiskurse legitimiert, was delegitimiert (und was
nicht)?
• Welche Rolle spielen Herrschaftskonzepte bei der Konstruktion spezifischer Ver-
gangenheitskonstruktionen?
• Welche politischen Konflikte werden in ihnen verhandelt oder vermittelt und
inwiefern sind sie ‘politisiert’, also Moment(e) von Auseinandersetzungen um
Ansehen, Ressourcen?
• Wie wird das Wissen um die Vergangenheit verwaltet? Wer sind die Träger und
Produzenten von Vergangenheitskonstruktionen? Inwiefern sind Vergangenheits-
diskurse mit dem symbolischen Kapital und politischen Anspruch spezifischer
Gruppen verbunden?
Ein erster Test dieses Ansatzes lag dabei in unserer Tagung Diesseits von Geschichte und
Gedächtnis, die in Zusammenarbeit mit der Universität Köln durchgefiihrt wurde. In
ständiger Fortführung begriffen sind unsere Einzelprojekte, die sich a) der Historio-
graphie im Ferrara der Este (FRANK bezner), b) dem Galliermythos in der franzö-
sischen Historiographe des 16. Jahrhunderts (KIRSTEN MAHLKE), c) dem deutsch-
französischen Europäisierungsdiskurs (STEFAN SEIDENDORF) und d) der Verge-
meinschaftungsproblematik im deutschen Kriegsroman (MATTHIAS SCHÖNING)
widmen. Sie wurden zum Teil vollständig abgeschlossen (Dissertation Seidendorf),
zum Teil auszugsweise publiziert.