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FÖRDERUNG DES WISSENSCHAFTLICHEN NACHWUCHSES
Tagung „Zwischen Wissen und Politik. Archäologie und Genealogie frühneuzeitlicher Ver-
gangenheitskonstruktionen“, 5.—7. April 2006 Heidelberg
Mit der internationalen Tagung an der Akademie im April 2006 wurde der große
Teilbereich „Europäische Vergangenheitskonstruktionen“ abgeschlossen, wobei es
nach der eher methodischen Fragestellung der ersten Tagung bzw. der Einzelstudien
nun darum ging, unseren Ansatz an einer historischen Epoche, der Frühen Neuzeit,
breit zu erproben. Bereits der Titel der Tagung Zwischen Wissen und Politik, für die
17 einschlägige Nachwuchswissenschaftler gewonnen werden konnten, zeigt,
worum es uns ging: um eine Analyse des Phänomens der frühneuzeitlichen historia,
das ebenso Teil der komplexen Wissenskultur wie der politischen Räume der Frühen
Neuzeit ist. Die Tagung, die Historiker, Kultur- und Literaturwissenschaftler zusam-
menbrachte, band die frühneuzeitliche historia dabei an eine Reihe basal gewordener
Deutungskategorien der Frühneuzeitforschung — an Fragen wie „Konfessionalisie-
rung“, „politische Kommunikation“, „Wissen“ und „Neue Welt“ — und versuchte
damit, eine Ergänzung zu den oft problematischen Perspektiven wie „humanistisches
Kontingenzbewusstsein“, „Geschichtlichkeit“ oder „Geschichtswissenschaft“ zu
schaffen, die bislang zur Erklärung des Phänomens herangezogen wurden. Die Publi-
kation wird im kommenden Jahr veröffentlicht werden, ein ausführlicher Tagungs-
bericht findet sich unter:
http://www.ahf-muenchen.de/Tagungsberichte/Berichte/pdf/2006/092-06.pdf
Zweitens: Europa und seine kulturellen Grundlagen
Dass der Ansatz unserer Forschungskooperation auch Konsequenzen für die Frage
nach kulturellen Grundlagen Europas im Ganzen zeitigt, haben wir bereits erläutert.
Ein erster Versuch, dies konkret werden zu lassen, war dabei die von MATTHIAS
SCHÖNING und STEFAN SEIDENDORF in Kooperation mit dem Zentrum für den
Wissenschaftlichen Nachwuchs der Universität Konstanz durchgeführte Tagung Reich-
weiten der Verständigung. Intellektuellendiskurse zwischen Nation und Europa. Absicht der
Tagung war es, die kommunikative Relevanz und mediale Konstruktion symboli-
scher Europa-Diskurse an der entscheidenden Bruchstelle zwischen ‘Nationalisie-
rung’ und ‘Europäisierung’ sichtbar zu machen; dies hieß auch, danach zu fragen,
welche Rolle kulturelle Diskurse für die Möglichkeit der Selbstthematisierung von
Europa gespielt haben. Auch die beiden Einzelstudien Schönings und Seidendorfs
zielen in diese Richtung: während Schöning danach fragt, wie die auf das gesamt-
europäische Phänomen des Krieges zielenden Erinnerungsdiskurse der Zwischen-
kriegszeit diesseits ihrer Politisierung Raum für die Verhandlung sozialer Erfahrung
schaffen, untersuchte Seidendorf die Bedeutung und Funktion von Vergangenheits-
konstruktionen für die Begründung politischer, in diesem Fall nationalstaatlicher
Identität; dabei ergab sich aus dem detaillierten Vergleich der Identitätsdiskurse, wie
sie sich in vier Zeitungen manifestieren, dass „Europäische Identität“ hier gerade
kein statisches, ein für allemal feststehendes Substrat ist. Vielmehr wird gerade die im
Diskurs konstruierte Historizität immer auch an gegenwärtige Herausforderungen
und Notwendigkeiten angepasst. Gemachte Erfahrungen und Erinnerungen ver-
FÖRDERUNG DES WISSENSCHAFTLICHEN NACHWUCHSES
Tagung „Zwischen Wissen und Politik. Archäologie und Genealogie frühneuzeitlicher Ver-
gangenheitskonstruktionen“, 5.—7. April 2006 Heidelberg
Mit der internationalen Tagung an der Akademie im April 2006 wurde der große
Teilbereich „Europäische Vergangenheitskonstruktionen“ abgeschlossen, wobei es
nach der eher methodischen Fragestellung der ersten Tagung bzw. der Einzelstudien
nun darum ging, unseren Ansatz an einer historischen Epoche, der Frühen Neuzeit,
breit zu erproben. Bereits der Titel der Tagung Zwischen Wissen und Politik, für die
17 einschlägige Nachwuchswissenschaftler gewonnen werden konnten, zeigt,
worum es uns ging: um eine Analyse des Phänomens der frühneuzeitlichen historia,
das ebenso Teil der komplexen Wissenskultur wie der politischen Räume der Frühen
Neuzeit ist. Die Tagung, die Historiker, Kultur- und Literaturwissenschaftler zusam-
menbrachte, band die frühneuzeitliche historia dabei an eine Reihe basal gewordener
Deutungskategorien der Frühneuzeitforschung — an Fragen wie „Konfessionalisie-
rung“, „politische Kommunikation“, „Wissen“ und „Neue Welt“ — und versuchte
damit, eine Ergänzung zu den oft problematischen Perspektiven wie „humanistisches
Kontingenzbewusstsein“, „Geschichtlichkeit“ oder „Geschichtswissenschaft“ zu
schaffen, die bislang zur Erklärung des Phänomens herangezogen wurden. Die Publi-
kation wird im kommenden Jahr veröffentlicht werden, ein ausführlicher Tagungs-
bericht findet sich unter:
http://www.ahf-muenchen.de/Tagungsberichte/Berichte/pdf/2006/092-06.pdf
Zweitens: Europa und seine kulturellen Grundlagen
Dass der Ansatz unserer Forschungskooperation auch Konsequenzen für die Frage
nach kulturellen Grundlagen Europas im Ganzen zeitigt, haben wir bereits erläutert.
Ein erster Versuch, dies konkret werden zu lassen, war dabei die von MATTHIAS
SCHÖNING und STEFAN SEIDENDORF in Kooperation mit dem Zentrum für den
Wissenschaftlichen Nachwuchs der Universität Konstanz durchgeführte Tagung Reich-
weiten der Verständigung. Intellektuellendiskurse zwischen Nation und Europa. Absicht der
Tagung war es, die kommunikative Relevanz und mediale Konstruktion symboli-
scher Europa-Diskurse an der entscheidenden Bruchstelle zwischen ‘Nationalisie-
rung’ und ‘Europäisierung’ sichtbar zu machen; dies hieß auch, danach zu fragen,
welche Rolle kulturelle Diskurse für die Möglichkeit der Selbstthematisierung von
Europa gespielt haben. Auch die beiden Einzelstudien Schönings und Seidendorfs
zielen in diese Richtung: während Schöning danach fragt, wie die auf das gesamt-
europäische Phänomen des Krieges zielenden Erinnerungsdiskurse der Zwischen-
kriegszeit diesseits ihrer Politisierung Raum für die Verhandlung sozialer Erfahrung
schaffen, untersuchte Seidendorf die Bedeutung und Funktion von Vergangenheits-
konstruktionen für die Begründung politischer, in diesem Fall nationalstaatlicher
Identität; dabei ergab sich aus dem detaillierten Vergleich der Identitätsdiskurse, wie
sie sich in vier Zeitungen manifestieren, dass „Europäische Identität“ hier gerade
kein statisches, ein für allemal feststehendes Substrat ist. Vielmehr wird gerade die im
Diskurs konstruierte Historizität immer auch an gegenwärtige Herausforderungen
und Notwendigkeiten angepasst. Gemachte Erfahrungen und Erinnerungen ver-