Metadaten

Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2007 — 2007

DOI Kapitel:
I. Das Geschäftsjahr 2007
DOI Kapitel:
Jahresfeier am 9. Juni 2007
DOI Artikel:
Wolgast, Eike: Pax optima rerum: Theorie und Praxis des Friedensschlusses in der Neuzeit
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.66959#0032
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
9. Juni 2007 | 45

galt. Die Qualifizierung eines Friedens mit dem Kaiser als „christlich“ war offenbar
letzter Ausdruck des Respekts vor der Sakralität des Reiches und vor der Stellung
des Kaisers als weltlichen Oberhauptes der Christenheit. In anderen Verträgen vor
1648 so wie seit der Mitte des 17. Jahrhunderts qualifizierte die pax-Formel den
Frieden dagegen als „gut, sicher, zuverlässig und unverletzlich“ („bonne, ferme, fidele
et inviolable“ - so im spanisch-niederländischen Vertrag) oder ähnlich. Erst in der
zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts wurde dann plötzlich die „paix Chretienne“
auch in Verträge übernommen, an denen der Kaiser nicht beteiligt war. So erschien
sie 1763 im Frieden von Paris zur Beendigung des Siebenjährigen Krieges in Über-
see zwischen England und Portugal einerseits, Frankreich und Spanien andererseits,
ebenso im Frieden von Versailles 1783 zwischen Frankreich und England, nicht aber
im gleichzeitigen Friedensvertrag zwischen England und den USA. Ein Grund ist
weder für das Eine noch für das Andere auszumachen. Nach 1783 verschwand die
„pax Christiana“ für immer aus dem diplomatischen Sprachgebrauch.
Konfessionelle Elemente begegneten im Pyrenäenfrieden und im Frieden von
Oliva. 1659 wurde unter den Motiven für den Friedensschluß die Förderung „unse-
res heiligen katholischen Glaubens“ genannt; der Frieden von Oliva war der erste
Vertrag zwischen konfessionsverschiedenen Partnern, durch den Territorialverschie-
bungen vorgenommen wurden. Die abtretende Vertragspartei mußte daher für ihre
Glaubenszugehörigen Fürsorge treffen. Dementsprechend verpflichtete sich Schwe-
den gegenüber Polen, in Livland den Katholiken Glaubensfreiheit („conscientia
libera religionis“) einzuräumen und Hausandacht („devotio domi privatim“) zu
gestatten (Art. IV).
2. Die Friedensschlüsse int Zeitalter des Absolutismus 1668-1783
Mit der Beendigung des Nordischen Krieges durch die Friedensschlüsse von Oliva
und Kardis schien die von Erasmus von Rotterdam 1516 erwartete Pazifikation der
Christenheit mit einer Verzögerung von 150 Jahren tatsächlich Wirklichkeit zu wer-
den. Wie jedoch damals die Idee des Friedens der Erneuerung des Kampfes um Ita-
lien gewichen war, so wurde im 17. Jahrhundert der Friedenszustand schon wenige
Jahre später für fast ein halbes Jahrhundert durch die Expansionspolitik Frankreichs
und die daraus resultierenden Kriege wieder aufgehoben. Der Devolutionskrieg
(1667/68), der Niederländische Krieg (1672—79), der Orleanssche oder Pfälzer Erb-
folgekrieg (1688—97) und der Spanische Erbfolgekrieg (1700—1713/14) wurden
durch internationale Friedenskongresse nach dem westfälischen Vorbild beendet:
Aachen (1668), Nimwegen (1679), Rijswijk (1697) und Utrecht (1713) bzw.
Rastatt/Baden (1714). Das Ergebnis waren jeweils bilaterale Verträge; ein multilate-
raler Vertrag kam niemals zustande, obwohl alle Kriege von Koalitionen getragen
gewesen waren. Wie gnadenlos und total der Krieg geworden war, zeigt Art. 50 des
Rijswijker Friedens, der ausdrücklich festhielt, daß mit Unterzeichnung des Vertrags
nicht nur die Feindseligkeiten aufhören sollten, sondern auch die Verwüstung von
Häusern, Weinbergen und Wäldern sowie das Abhauen von Obstbäumen. Eine sol-
che Bestimmung enthielt weder vorher noch später irgendein anderer Friedensver-
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften