9. Juni 2007
47
Einen Sonderfall stellen die Friedensschlüsse christlicher Herrscher, insbeson-
dere des Kaisers, mit dem Osmanischen Reich dar.21 Fast immer handelte es sich um
Waffenstillstände, wenngleich sie häufig auf viele Jahre hin gelten sollten. Schon der
Rang der Vertragsparteien war lange strittig, erst 1606 erkannten sich Kaiser und Sul-
tan gegenseitig als gleichrangig an; seither war in denVerträgen vom „Serenissimus
et Potentissimus Princeps et Dominus Sultan, Turcarum (später: Ottomannorum)
Asiae et Graeciae Imperator“ die Rede.22 Auf die meisten der in Friedensverträgen
üblichen religiösen Formeln mußte verzichtet werden. Eine Invocatio fehlte, statt
vom Vergießen christlichen Blutes wurde von der „humani sanguinis effusio“
gesprochen. Erst im Frieden von Karlowitz 1699 wurde die „divina bonitas“ ange-
rufen, die Verhandlungen hatten „post invocatum aeterm numinis“ stattgefunden, der
Frieden wurde sogar „ad divini nominis gloriam“ abgeschlossen. Eine Besonderheit
stellte die Regelung der Kriegsgefangenenfrage dar. 1699 sollten beide Seiten die
gleiche Zahl von Gefangenen freilassen; befanden sich auf einer Seite mehr Perso-
nen oder solche von höherem Rang in Gefangenschaft, wollte sich die „pietas“ bei-
der Herrscher dem Austausch dennoch nicht verschließen. Für Gefangene in Pri-
vatgewahrsam und bei den Tataren war ein maßvolles Lösegeld zu entrichten
(Art.11/12).
Die Friedensschlüsse der europäischen Staaten im 18. Jahrhundert wurden
nach den bestehenden Vorbildern formuliert. Der Westfälische Frieden und die ihm
folgenden Verträge wurden stets genannt und ausdrücklich auch dann bestätigt, wenn
sie mit der zu regelnden Materie wenig oder gar nichts zu tun hatten. Diese Texte
hatten gewissermaßen kanonische Geltung erlangt. Die religiösen Formeln in der
Präambel wurden spärlicher — allerdings weist gerade der Pariser Frieden von 1763,
an dem drei katholische Staaten (Frankreich, Spanien, Portugal) und em protestanti-
scher Staat (Großbritannien) beteiligt waren, eine ausführliche religiöse Präambel
auf. Dagegen enthielt der Hubertusburger Frieden zwischen Preußen und Öster-
reich 1763 zwar noch die traditionelle Invocatio der Dreieinigkeit, sonst aber kei-
nerlei Divinitätselemente, auch nicht die Formel von der „paix Chretienne“, — und
daß obwohl die fromme Kaiserin Maria Theresia Vertragspartei war. Bei Territorial-
veränderungen schützte wie bisher ein Vorbehalt die Konfession der abtretenden
Partei. Auch Amnestie und Oblivion sowie Restitution wurden weitergeführt. Im
Friedensvertrag mit den USA erreichte Großbritannien 1783 allerdings nur eine
Bemühenszusage, der zufolge der Kongreß den Einzelstaaten die Restitution des
Besitzes von Engländern, Kollaborateuren oder Flüchtlingen ernsthaft empfehlen
(„earnestly recommend“) werde (Art. 5). Ebenfalls folgte der Kriegsgefangenenarti-
kel im 18. Jahrhundert durchweg den üblich gewordenen Regelungen: Freilassung
innerhalb kurzbemessener Fristen ohne Lösegeld, lediglich die in der Gefangenschaft
gemachten Schulden mußten bezahlt werden.
1 Vgl. Gabriel Noradounghian.Y^ccuc'A d’actes internationaux de l’Empire Ottoman Bd. 1, Paris 1897.
So im Frieden von Konstantinopel zwischen Kaiser Leopold I. und Sultan MehmedVI. 1681;
DuMont Bd. 7/2, 12f.
47
Einen Sonderfall stellen die Friedensschlüsse christlicher Herrscher, insbeson-
dere des Kaisers, mit dem Osmanischen Reich dar.21 Fast immer handelte es sich um
Waffenstillstände, wenngleich sie häufig auf viele Jahre hin gelten sollten. Schon der
Rang der Vertragsparteien war lange strittig, erst 1606 erkannten sich Kaiser und Sul-
tan gegenseitig als gleichrangig an; seither war in denVerträgen vom „Serenissimus
et Potentissimus Princeps et Dominus Sultan, Turcarum (später: Ottomannorum)
Asiae et Graeciae Imperator“ die Rede.22 Auf die meisten der in Friedensverträgen
üblichen religiösen Formeln mußte verzichtet werden. Eine Invocatio fehlte, statt
vom Vergießen christlichen Blutes wurde von der „humani sanguinis effusio“
gesprochen. Erst im Frieden von Karlowitz 1699 wurde die „divina bonitas“ ange-
rufen, die Verhandlungen hatten „post invocatum aeterm numinis“ stattgefunden, der
Frieden wurde sogar „ad divini nominis gloriam“ abgeschlossen. Eine Besonderheit
stellte die Regelung der Kriegsgefangenenfrage dar. 1699 sollten beide Seiten die
gleiche Zahl von Gefangenen freilassen; befanden sich auf einer Seite mehr Perso-
nen oder solche von höherem Rang in Gefangenschaft, wollte sich die „pietas“ bei-
der Herrscher dem Austausch dennoch nicht verschließen. Für Gefangene in Pri-
vatgewahrsam und bei den Tataren war ein maßvolles Lösegeld zu entrichten
(Art.11/12).
Die Friedensschlüsse der europäischen Staaten im 18. Jahrhundert wurden
nach den bestehenden Vorbildern formuliert. Der Westfälische Frieden und die ihm
folgenden Verträge wurden stets genannt und ausdrücklich auch dann bestätigt, wenn
sie mit der zu regelnden Materie wenig oder gar nichts zu tun hatten. Diese Texte
hatten gewissermaßen kanonische Geltung erlangt. Die religiösen Formeln in der
Präambel wurden spärlicher — allerdings weist gerade der Pariser Frieden von 1763,
an dem drei katholische Staaten (Frankreich, Spanien, Portugal) und em protestanti-
scher Staat (Großbritannien) beteiligt waren, eine ausführliche religiöse Präambel
auf. Dagegen enthielt der Hubertusburger Frieden zwischen Preußen und Öster-
reich 1763 zwar noch die traditionelle Invocatio der Dreieinigkeit, sonst aber kei-
nerlei Divinitätselemente, auch nicht die Formel von der „paix Chretienne“, — und
daß obwohl die fromme Kaiserin Maria Theresia Vertragspartei war. Bei Territorial-
veränderungen schützte wie bisher ein Vorbehalt die Konfession der abtretenden
Partei. Auch Amnestie und Oblivion sowie Restitution wurden weitergeführt. Im
Friedensvertrag mit den USA erreichte Großbritannien 1783 allerdings nur eine
Bemühenszusage, der zufolge der Kongreß den Einzelstaaten die Restitution des
Besitzes von Engländern, Kollaborateuren oder Flüchtlingen ernsthaft empfehlen
(„earnestly recommend“) werde (Art. 5). Ebenfalls folgte der Kriegsgefangenenarti-
kel im 18. Jahrhundert durchweg den üblich gewordenen Regelungen: Freilassung
innerhalb kurzbemessener Fristen ohne Lösegeld, lediglich die in der Gefangenschaft
gemachten Schulden mußten bezahlt werden.
1 Vgl. Gabriel Noradounghian.Y^ccuc'A d’actes internationaux de l’Empire Ottoman Bd. 1, Paris 1897.
So im Frieden von Konstantinopel zwischen Kaiser Leopold I. und Sultan MehmedVI. 1681;
DuMont Bd. 7/2, 12f.