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JAHRESFEIER
Die in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts unbestrittene Akzeptanz des
Französischen als Vertragssprache wurde im 18. Jahrhundert in Frage gestellt - offen-
kundig ein Zeichen des gesunkenen Einflusses Frankreichs in Europa.23 Erstmals
wurde im Frieden von Rastatt (Kaiser - Frankreich) 1714 als Vorbehalt formuliert,
daß das Französische kein negatives Präjudiz für die Verwendung der lateinischen
Sprache in künftigen Verträgen mit Kaiser und Reich darstelle (Separatartikel 2). Der
Frieden von Baden (Reich — Frankreich), der den RastatterVertrag bestätigte, war
denn auch wieder in lateinischer Sprache abgefaßt — derjenigen Sprache, die seit dem
17. Jahrhundert Verträgen vorbehalten war, an denen Kaiser und Reich sich beteilig-
ten. Im Frieden von Aachen 1748 wurde der Vorbehalt variiert: Die Benutzung der
französischen Sprache könne für mcht-francophone Staaten beim Abschluß künfti-
ger Verträge nicht bindend sein; dies solle jedoch die Gültigkeit des gegenwärtigen
Vertrags nicht hindern (Separatartikel 2). Für Preußen und Österreich war die Spra-
chenfrage offensichtlich kein Problem; der Hubertusburger Frieden wurde in fran-
zösischer Sprache abgefaßt, ohne daß dazu irgendeine Bemerkung erfolgte. Neben
der Sprachenklausel wurde 1714, 1748, 1763 und 1783, also bei allen großen Frie-
densschlüssen seit dem Spanischen Erbfolgekrieg, auch ein Zeremonialvorbehalt for-
muliert: Im Text verwendete Titel bedeuteten demnach nicht die Anerkennung der
entsprechenden Würden durch die Vertragschließenden (jeweils Separatartikel 1).
3. Die Friedensverträge int Zeitalter der Französischen Revolution
War bereits in denVerträgen des 18. Jahrhundert der semantische Aufwand gegen-
über den Vorbildern beträchtlich reduziert worden, so magerten die Friedensverträ-
ge der Revolutionszeit gewissermaßen bis auf das Gerippe ab — die Texte wurden auf
das Kerngeschäft reduziert.24 Nicht nur in den Inhalten, sondern auch in den ver-
wendeten Formeln und Begriffen läßt sich die Konfrontation von alter Welt und
revolutionären Prinzipien beobachten, etwa wenn im Frieden von Basel 1795 Graf
Hardenberg, „Ritter des Roten Adlerordens, des Weißen Adlerordens und des St. Sta-
nislaus-Ordens etc.“, als Bevollmächtigter des preußischen Königs auftrat, die Fran-
zösische Republik dagegen durch den „citoyen Franpois Barthelemy“ repräsentiert
wurde. Auch im Frieden von Amiens zwischen Frankreich und Großbritannien 1802
schlugen sich die Veränderungen nieder. Bisher hatte der Frieden Herrschern und
Untertanen gegolten, jetzt waren neben den Untertanen auch die Bürger, „citoyens
ou sujets“, einbezogen (Art. 14, 21); in den übrigen Friedensverträgen jener Zeit war
die neutrale Bezeichnung „habitans“ üblich. Erst seit Napoleon als Kaiser wieder
über Untertanen verfügte, war von „citoyens“ keine Rede mehr. Invocationes fehl-
ten den Texten durchgängig, ebenso weitere religiöse Formeln. Auch die Amnestie-
23 Vgl. Guido Braun, Fremdsprachen als Fremderfahrung: Das Beispiel des Westfälischen Friedens-
kongresses. In: Michael Rohrschneider/Arno Strohmeyer (Hg.), Wahrnehmung der Fremden. Diffe-
renzerfahrungen von Diplomaten im 16. und 17. Jahrhundert, Münster 2007, 203—244.
24 Die wichtigsten Texte sind zusammengestellt bei Heinrich Wolfensberger (Hg.), Napoleonische
Friedensverträge (= Quellen zur Neueren Geschichte Heft 5), Bern 1946.
JAHRESFEIER
Die in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts unbestrittene Akzeptanz des
Französischen als Vertragssprache wurde im 18. Jahrhundert in Frage gestellt - offen-
kundig ein Zeichen des gesunkenen Einflusses Frankreichs in Europa.23 Erstmals
wurde im Frieden von Rastatt (Kaiser - Frankreich) 1714 als Vorbehalt formuliert,
daß das Französische kein negatives Präjudiz für die Verwendung der lateinischen
Sprache in künftigen Verträgen mit Kaiser und Reich darstelle (Separatartikel 2). Der
Frieden von Baden (Reich — Frankreich), der den RastatterVertrag bestätigte, war
denn auch wieder in lateinischer Sprache abgefaßt — derjenigen Sprache, die seit dem
17. Jahrhundert Verträgen vorbehalten war, an denen Kaiser und Reich sich beteilig-
ten. Im Frieden von Aachen 1748 wurde der Vorbehalt variiert: Die Benutzung der
französischen Sprache könne für mcht-francophone Staaten beim Abschluß künfti-
ger Verträge nicht bindend sein; dies solle jedoch die Gültigkeit des gegenwärtigen
Vertrags nicht hindern (Separatartikel 2). Für Preußen und Österreich war die Spra-
chenfrage offensichtlich kein Problem; der Hubertusburger Frieden wurde in fran-
zösischer Sprache abgefaßt, ohne daß dazu irgendeine Bemerkung erfolgte. Neben
der Sprachenklausel wurde 1714, 1748, 1763 und 1783, also bei allen großen Frie-
densschlüssen seit dem Spanischen Erbfolgekrieg, auch ein Zeremonialvorbehalt for-
muliert: Im Text verwendete Titel bedeuteten demnach nicht die Anerkennung der
entsprechenden Würden durch die Vertragschließenden (jeweils Separatartikel 1).
3. Die Friedensverträge int Zeitalter der Französischen Revolution
War bereits in denVerträgen des 18. Jahrhundert der semantische Aufwand gegen-
über den Vorbildern beträchtlich reduziert worden, so magerten die Friedensverträ-
ge der Revolutionszeit gewissermaßen bis auf das Gerippe ab — die Texte wurden auf
das Kerngeschäft reduziert.24 Nicht nur in den Inhalten, sondern auch in den ver-
wendeten Formeln und Begriffen läßt sich die Konfrontation von alter Welt und
revolutionären Prinzipien beobachten, etwa wenn im Frieden von Basel 1795 Graf
Hardenberg, „Ritter des Roten Adlerordens, des Weißen Adlerordens und des St. Sta-
nislaus-Ordens etc.“, als Bevollmächtigter des preußischen Königs auftrat, die Fran-
zösische Republik dagegen durch den „citoyen Franpois Barthelemy“ repräsentiert
wurde. Auch im Frieden von Amiens zwischen Frankreich und Großbritannien 1802
schlugen sich die Veränderungen nieder. Bisher hatte der Frieden Herrschern und
Untertanen gegolten, jetzt waren neben den Untertanen auch die Bürger, „citoyens
ou sujets“, einbezogen (Art. 14, 21); in den übrigen Friedensverträgen jener Zeit war
die neutrale Bezeichnung „habitans“ üblich. Erst seit Napoleon als Kaiser wieder
über Untertanen verfügte, war von „citoyens“ keine Rede mehr. Invocationes fehl-
ten den Texten durchgängig, ebenso weitere religiöse Formeln. Auch die Amnestie-
23 Vgl. Guido Braun, Fremdsprachen als Fremderfahrung: Das Beispiel des Westfälischen Friedens-
kongresses. In: Michael Rohrschneider/Arno Strohmeyer (Hg.), Wahrnehmung der Fremden. Diffe-
renzerfahrungen von Diplomaten im 16. und 17. Jahrhundert, Münster 2007, 203—244.
24 Die wichtigsten Texte sind zusammengestellt bei Heinrich Wolfensberger (Hg.), Napoleonische
Friedensverträge (= Quellen zur Neueren Geschichte Heft 5), Bern 1946.