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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2007 — 2007

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I. Das Geschäftsjahr 2007
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Jahresfeier am 9. Juni 2007
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Wolgast, Eike: Pax optima rerum: Theorie und Praxis des Friedensschlusses in der Neuzeit
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https://doi.org/10.11588/diglit.66959#0039
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52 | JAHRESFEIER

Gebieten; sie erhielten auch em Optionsrecht, mußten aber bei einer Entscheidung
für Frankreich dorthin übersiedeln (Art. 2). Eine Truppenreduzierung wurde Frank-
reich nicht auferlegt. Erstmals erschien in einem Friedensvertrag die gegenseitige
Verpflichtung, die Kriegsgräber zu respektieren und in einem würdigen Zustand zu
unterhalten (Art. 16) - Beginn einer spezifischen Art von Memorialkultur. Die
Regelung von 1871 ging in nahezu alle folgenden Friedensverträge ein.
In der formalen Nacktheit und ungemilderten Direktheit der Regelungen
wies der Frankfurter Frieden auf die Friedensschlüsse des 20. Jahrhunderts voraus.
Allerdings war — ein entscheidender Unterschied zur Folgezeit - jede Feststellung
über die Kriegsursache oder Kriegsschuld vermieden. Der Friedensvertrag von San
Stefano zwischen Rußland und dem Osmanischen Reich von 1878 verzichtete wie
der Frankfurter Frieden auf Invocatio und Friedensformel. Die Amnestie erstreckte
sich einseitig auf osmanische Untertanen, die mit dem Gegner kollaboriert hatten.
Ihnen wurde sogar freigestellt, den russischen Truppen bei ihrem Abzug zu folgen
(Art. 17, 27). Eine Neuerung bestand in der genauen Aufschlüsselung der Summe,
die den Türken abverlangt wurde: für Unterhalt der Armee und Beschaffung von
Kriegsmaterial, für Schäden an der russischen Südküste, Schäden an Export, Indu-
strie und Eisenbahnen, Schäden russischer Untertanen in der Türkei. Das Ganze
belief sich auf die astronomische Summe von 1,41 Milliarden Rubel, von denen der
Großteil durch Landabtretungen kompensiert werden sollte (Art. 19). Für die Frei-
lassung der Kriegsgefangenen hatte die Türkei zudem alle der russischen Gewahr-
samsmacht entstandenen Unkosten zu übernehmen (Art. 28) — eine moderne Form
von Lösegeld.
Auf Betreiben der englischen Regierung, die eine so weitreichende
Schwächung des Osmanischen Reiches nicht zulassen wollte, wurde auf dem Berli-
ner Kongreß die russische Neuordnung der Verhältnisse auf dem Balkan teilweise
rückgängig gemacht. Der Berliner Vertrag, der den Frieden von San Stefano ersetzte,
beanspruchte, die orientalische Frage im Sinne der europäischen Ordnung („l’ordre
europeen“) zu regeln.
5. Die Friedensverträge im Zeitalter der Weltkriege
Eine neue Negativqualität, anders gesagt: einen weiteren Verfall der Kultur des Ver-
tragsschlusses, führte der Erste Weltkrieg herbei. Die Verträge wurden vielfach län-
ger, die Detailbesessenheit und der Regelungsdrang nahmen zu — der Versailler Ver-
trag enthält 440 Artikel mit zahlreichen Anlagen und Zusätzen. Stärker als je zuvor
wurden die Friedensschlüsse im 20. Jahrhundert von der Art der Kriegführung und
durch die Kriegspropaganda sowie durch die davon hochemotionalisierten Mas-
senstimmungen beeinflußt. Die Tendenz zum totalen Krieg schon seit 1914 verstieß
gegen Kants sechsten Präliminarartikel, dem zufolge kein Staat im Kriege sich sol-
che Feindseligkeiten erlauben solle, die „das wechselseitige Zutrauen im künftigen
Frieden unmöglich machen müssen“.29 Von diesem „wechselseitigen Zutrauen1 war

29 A 13/B 13.
 
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