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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2008 — 2009

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I. Das Geschäftsjahr 2008
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Jahresfeier am 14. Juni 2008
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Niehrs, Christof: Dialektik der embryonalen Induktion
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https://doi.org/10.11588/diglit.67591#0041
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JAHRESFEIER

Es ging Engels also um nichts Geringeres, als um die Einheit der Wissenschaft. Auf
Hegel fußend formulierte Engels die so genannten drei dialektischen Grundgesetze.
Im Gegensatz zu Hegel versucht Engels diese Grundgesetze nicht zu deduzieren,
sondern von der Natur entnommenen Beispielen aus induktiv abzuleiten. Die drei
Gesetze lauten
1. Das Gesetz des Umschlagens von Quantität in Qualität und umgekehrt
In seiner Lehre vom Sein unterscheidet Hegel zwischen Qualität und Quantität, auf
deren Begriffsbestimmungen ich hier nicht näher eingehen kann. Ein wichtiges Ele-
ment in dieser Lehre ist das Umschlagen von Quantität in Qualität; Hegels Beispiel
ist das des Phasenübergangs bei Wasser, das mit steigender Temperatur von Eis in
Flüssigkeit und schließlich in Dampf übergeht.
2. Das Gesetz von der Durchdringung der Gegensätze
Das Gesetz besagt, dass jeweils zwei Dinge quasi dualistisch zusammengehören und
ohne einander nicht existieren können, sich aber zugleich direkt entgegenstehen und
womöglich bekämpfen bzw. ausschließen. Mit Bezug auf die Biologie stellt Engels
z.B. fest, dass bei Tieren der Begriff des Individuums unscharf ist. Nicht nur, ob ein
Tier, beispielsweise die Koralle, ein Individuum oder eine Kolonie repräsentiert, son-
dern auch, wo in der Entwicklung ein Individuum aufhört und das andere anfängt;
ist die trächtige Maus ein oder mehrere Individuen? Die Dialektik sei die angemes-
sene Denkmethode, welche zwischen diesen Gegensätzen vermittelt, die die fixen
Unterschiede ineinander überführt und neben dem „Entweder - Oder!“ ebenfalls
das „Sowohl dies — wie jenes!“ kennt.
3. Das Gesetz von der Negation der Negation.
In der Aussagenlogik kehrt die Negation der Negation zu ihrem Ausgangspunkt
zurück. In Hegels und Engels Philosophie transformiert sie im Gegensatz dazu in die
Synthese, die ihre Vorgänger übersteigt. Hierbei handelt es sich um den dritten
Schritt der dialektischen Triade, den wir bereits kennen gelernt haben.
Alle drei sind von Hegel in seiner idealistischen Weise als bloße Denkgesetze entwi-
ckelt...Der Fehler liegt darin, daß diese Gesetze als Denkgesetze der Natur und
Geschichte auf oktroyiert, nicht aus ihnen abgeleitet werden. Daraus entsteht dann die
ganze gezwungene und oft haarsträubende Konstruktion.. .Kehren wir die Sache um,
so wird alles einfach und die in der idealistischen Philosophie äußerst geheimnisvoll aus-
sehenden dialektischen Gesetze werden sofort einfach und sonnenklar. (Engels, 1955)
Dialektik der embryonalen Induktion
Nach dieser Annäherung an die Dialektik der Natur betrachten wir die formalen
Ähnlichkeiten zwischen Dialektik und embryonaler Induktion näher (Tabelle 1).
Nebenbei ist es ein bemerkenswerter Zufall, dass Hegel und Spemann, die wissen-
schaftlich Weltgeschichte geschrieben haben, beide aus Stuttgart stammen.
 
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