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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2008 — 2009

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I. Das Geschäftsjahr 2008
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Jahresfeier am 14. Juni 2008
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Niehrs, Christof: Dialektik der embryonalen Induktion
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https://doi.org/10.11588/diglit.67591#0043
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JAHRESFEIER

Induktives Reaktives



Abbildung 11: Determinismus bei der embryonalen Entwicklung und der Dialektik
Die Abfolge der Embryonalentwicklung ist bei jeder Spezies stereotyp und führt reproduzierbar
zum adulten Organismus (links). Hegels Dialektik zufolge verläuft die Ideenentwicklung determi-
nistisch auf ein bestimmtes höheres Ziel zu (rechts).

Ektoderm negieren sich gegenseitig, und die doppelte Negation hebt den Gegensatz
durch die Bildung des Neuroektoderms im Induktionsprozess auf (Abb. 8).
Umschlag von Quantität in Qualität
Das Auftreten von Phasenübergängen und Bifurkationen bei der stetigen Erhöhung
einer Variablen ist ein Phänomen, das in den Naturwissenschaften geradezu ein
Gemeinplatz ist. Sei es der Phasenübergang von Wasser beim Verdampfen, oder der
plötzliche Umschlag dynamischer Systeme in deterministisches Chaos, z.B. beim
Pendel während der Erhöhung der Schwingungsfrequenz. Insofern sind Morpho-
gengradienten, die konzentrationsabhängig verschiedene Zelltypen im Embryo
induzieren, nur ein weiteres Beispiel für ein weit verbreitetes Phänomen. Man mag
dem dialektischen Gesetz des Umschlags von Quantität in Qualität vorwerfen, dass
es nichts erklärt und vielmehr den Blick verstellt auf die den einzelnen Phasenüber-
gängen zu Grunde liegenden Prozesse. An der Einsicht, dass es sich um ein den meis-
ten Systemen innewohnendes Prinzip handelt, ändert dies jedoch nichts.
Hierarchie und Historizität
Ganz analog zu den Induktionsketten, die in der Embryonalentwicklung vom
befruchteten Ei zum adulten Tier führen, ist der dialektische Prozess hierarchisch
und historisch aufgebaut, beispielsweise bei der Ideen-Entwicklung oder dem
Geschichtsablauf (Abb. 11). In der embryonalen Entwicklung wie der Dialektik ist
die Komplexität eines historischen Prozesses auf ein hierarchisches System von
Wechselwirkungen zurückzuführen. Die Dialektik beansprucht eine allumfassende
Theorie zu sein, die sowohl für die Geistes- als auch die Naturwissenschaften gültig
ist. Insofern würden Hegel und Engels die embryonale Induktion als entwicklungs-
gesetzlichen Einzelfall betrachtet haben, der die Regel bestätigt.
 
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