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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2008 — 2009

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I. Das Geschäftsjahr 2008
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Wissenschaftliche Sitzungen
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Sitzung der Math.-nat. Klasse am 25. April 2008
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Holstein, Thomas W.: Hydra: Ein Sprungbrett für die Evolution der Metazoa
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https://doi.org/10.11588/diglit.67591#0071
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SITZUNGEN

Achse invertiert sind, war lange unklar, welches der beiden Achsensysteme, die dor-
sal-ventral (DV) Achse oder die anterior-posterior (AP) Achse, das in der Evolution
ursprüngliche ist. Erst durch den molekularen Vergleich mit den Cnidaria als der
gemeinsamen Außengruppe aller Bilateria konnte diese Frage beantwortet werden.
Durch die Analyse von regenerationsspezifischen Genen des Süßwasserpolypen
Hydra und Genen der frühen Embryonalentwicklung der Seeanemone Nematostella
konnte gezeigt werden, dass der Wnt-Signalweg eine Schlüsselrolle in der Etablie-
rung der Körperachse von Hydra und in der Gastrulation von Nematostella besitzt.
Zugleich wurde eine unerwartete Komplexität des Genoms der Cnidaria gefunden,
die der von Vertebraten entspricht.
Störungen des Wnt-Signalwegs sind bei Säugern an verschiedenen Tumoren
beteiligt. Die umfassende Identifizierung von zentralen Mitgliedern des kanonischen
Wnt-Signalwegs bei Hydra führte zur Identifikation der wichtigsten Mitglieder des
kanonischen Wnt-Signalwegs. Wnt-Gene werden spezifisch in der apikalen Spitze
der Körperachse exprimiert. Dieses Gewebe besitzt Eigenschaften eines Organisa-
tors, ganz ähnlich wie der berühmt gewordene Speman-Mangold Organisator bei
Amphibien. Transplantiert man dieses Gewebe an eine ektopische Stelle des Em-
bryos (die normalerweise ein anderes Zelldifferenzierungsschicksal besitzt), so kann
das Organisatorgewebe das umliegende Gewebe instruieren und z.B. eine neue
Körperachse induzieren. Für die Regeneration und Knospung von Hydra spielt der
Aufbau des Organisators eine wichtige Rolle. Wnt-Gene werden transkriptionell
aufreguliert, wenn der Kopforganisator während der Knospung, der Kopfregenerati-
on und der de novo Musterbildung in Reaggregaten aus Einzelzellen gebildet wird.
Die enge Verknüpfung zwischen der Aktivierung des Wnt-Signalwegs und der Aus-
bildung von Kopforganisatoren konnte in Experimenten mit der regenerations-defi-
zienten Mutante rg-16 gestützt werden. Inkubiert man die regenerationsdefiziente
Mutante reg-16 mit rekombinantem Wnt-3 aus Hydra, so kommt es zur vollständi-
gen Rettung des mutanten Phänotyps. Umgekehrt kann durch die pharmakologi-
sche Aktivierung des Wnt-Signalwegs eine multiple Bildung von Kopforganisatoren
entlang des gesamten Rumpfes induziert werden. Diese Daten zeigen klar eine
instruktive Wirkung des Signalweges für die Bildung des Kopforganisators und die
Entstehung der Körperachse in Hydra.
In welchem Umfang manche Musterbildungsgene von Hydra in der Evolution
konserviert sind, wird deutlich, wenn man diese in Vertebraten funktionell testet. So
kann Hydra ß-Catenin mit hoher Effizienz in frühen Frosch-Embryonen (Xenopus')
die Bildung ektopischer Körperachsen induzieren. Und auch bestimmte
Wnt-Antagonisten, die in Vertebraten bei Uberexpression zu einem stark verdickten
anterioren Ende der Körperachse führen („Dickkopf ‘ Phänotyp), können diese
Funktion in Vertebraten ausfuhren. Die Verknüpfung eines Wnt-Signalwegs mit der
Ausbildung und Aufrechterhaltung des Hydra-Kopforganisators zeigt, dass der Wnt-
Signalweg bereits sehr früh in der Evolution entstanden ist und an der axialen Dif-
ferenzierung der ersten Metazoen beteiligt war.
Wnt-Signalmoleküle wurden auch in der Embryonalentwicklung einer ver-
wandten Seeanemone, in Nematostella vectensis, untersucht. Diese Polypen sind einfach
 
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