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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2008 — 2009

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I. Das Geschäftsjahr 2008
DOI Kapitel:
Wissenschaftliche Sitzungen
DOI Kapitel:
Gesamtsitzung am 25. Oktober 2008
DOI Artikel:
Kieser, Alfred: Bedeuten Evaluationen einen Fortschritt für die Wissenschaften?
DOI Artikel:
Fiedler, Klaus: Evaluation von Ergebnissen der Forschung
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https://doi.org/10.11588/diglit.67591#0091
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SITZUNGEN

Evaluationen zeitigen erhebliche Wirkungen, u.a.: (1) Verdrängung intrinsi-
scher durch extrinsische Motivation. (2) Verdrängung innovativer Forschung durch
Projekte, in denen Bewährtes variiert wird. (3) Steigerung der Quantität des For-
schungsoutputs auf Kosten der Qualität. (4) Rückgang von Monografien. (5) Mani-
pulationen (beispielsweise durch strategische Zitationen).
Eine leistungsabhängige Entlohnung, wie sie etwa in der W3-Besoldung vor-
gesehen ist, verstärkt diese Effekte. Und löst Fehlsteuerungen aus. So ist es im Rah-
men der W3-Besoldung „rational“, wenig Qualifizierte an die eigene Fakultät zu
berufen. An amerikanischen Spitzenuniversitäten spielt die leistungsbezogene Besol-
dung keine Rolle. Man wählt Wissenschaftler sehr sorgfältig aus und vertraut darauf,
dass sie in einer stimulierenden Umgebung motiviert bleiben: „There is only one
proved method of assisting the advancement of pure Science — that is picking men
of genius, backing them heavily, and leaving them to direct themselves“ (Bryan
Conant, Präsident Harvard University 1945).
Die vorangegangene Analyse legt folgende Schlussfolgerungen nahe: (1) Eva-
luationen schaffen die Bedingungen, die zu messen sie vorgeben. (2) Sie fördern eine
Hierarchisierung der Hochschulen mit möglichen negativen Auswirkungen auf den
Wettbewerb unter ihnen sowie auf den Innovationsgrad von Forschung und Lehre.
(3) Sie schränken die Autonomie der Wissenschaftler ein und wirken demotivierend.
HERR KLAUS FIEDLER HÄLT EINEN VORTRAG:
„Evaluation von Ergebnissen der Forschung“
Die elementarste Einheit in der Bewertung wissenschaftlicher Leitung ist das einzel-
ne Werkstück oder Projekt; bei der Bewertung von Wissenschaftlern und ihren Insti-
tutionen wird bereits über viele elementare Projekte und Forschungen abstrahiert.
Beschäftigen wir uns in diesem Abschnitt zunächst mit Problemen der Evaluation
elementarer Forschungsprojekte.
Es kann kein Zweifel daran bestehen, dass die Einführung von evaluativen
Kontrollen und Leistungs-Standards in einer wettbewerbsorientierten Wissenschaft
nur dem Ziel dienen kann, Qualität zu sichern und das kreative Wachstum zu ver-
bessern. Mit anderen Worten, Evaluation muss dem Wachstum und der gesunden
Evolution der Wissenschaft dienen.
Die Evolutionsmetapher bietet in der Tat einen interessanten Ansatzpunkt für
eine kritische Diskussion der Standards, die sich im Zeitalter von Exzellenzinitiative
und von Open-Access-Platformen für die globale Forschungsforderung mehr und
mehr durchsetzen. Jede Evolution besteht aus zwei sich gegenseitig ergänzenden
Teilprozessen: einem offenen und aufVielfalt und Neuigkeit ausgerichteten Prozess
der Kreation neuer Ideen und einem strengen kritischen Prozess der Selektion der
besten Ideen, welche die größte Chance haben, sich fortzupflanzen und zu überle-
ben. Diese von dem Psychologen George Kelly (1955) aufWissenschaft und Thera-
pie übertragene Metapher lässt sich auf alle drei Stadien der Bewertung wissen-
schaftlicher Produkte an wenden: Forschungsanträge, Publikationen und Lehrveran-
staltungen.
 
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