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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2008 — 2009

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I. Das Geschäftsjahr 2008
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Bleyl, Uwe: Volker Becker (20.11.1922 - 11.12.2008)
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https://doi.org/10.11588/diglit.67591#0161
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174 | NACHRUFE

len Prosektors mit einem schon damals sehr umfangreichen autoptischen und biop-
tischen Dienstleistungsauftrag hat eine zweite, ungemein kliniknahe Prägephase im
Leben des Volker Becker eingeleitet. Nicht zuletzt aufgrund dieser Kliniknähe und
eines explizit individualpathologischen diagnostischen Ansatzes wurde Volker Becker
1969 auf den Lehrstuhl seines Fachgebietes an der Freien Universität Berlin und
1972 auf das Ordinariat für Allgemeine Pathologie und pathologische Anatomie der
Universität Erlangen-Nürnberg berufen. Die Kliniknähe war 1979 auch bestim-
mend für die Initiierung und Herausgabe einer Zeitschrift für „angewandte“ Patho-
logie durch Volker Becker, einer „Facharzt-Zeitschrift“ unter dem Titel „Der Patho-
loge“, die vor allem dem autoptischen und bioptischen Dienstleistungsauftrag in der
Pathologie verpflichtet ist und dadurch seit inzwischen 30 Jahren einem völlig ande-
ren Ziel dient als die weit traditionsreicheren forschungsorientierten Archivblätter
des Fachgebietes. Von 1981 bis 1983 war Volker Becker Dekan der Medizinischen
Fakultät Erlangen, von 1987 bis 1991 Mitglied des Vorstands des Medizinischen
Fakultätentages und 1986/1987 Präsident der Deutschen Gesellschaft für Pathologie.
Als Emeritus hat er später unter dem Titel „Pathologie — Beständigkeit und Wandel“
(1996) einen Rechenschaftsbericht über seine berufliche Tätigkeit als Institutsdirek-
tor „seiner“ Pathologischen Institute vorgelegt, sein Selbstverständnis als Pathologe
und Arzt dargelegt und dabei auch den „Gestaltwandel“ seines Fachgebiets von einer
kliniknahen Pathologischen Anatomie zur „Molekularpathologie“ und den damit
einhergehenden „Wertewandel“ in einem Fach beschrieben, das er selbst aus Über-
zeugung noch als „ärztliche Pathologie“ gesehen hat.
Zum Generalthema der Kommission für Theoretische Pathologie der Heidel-
berger Akademie wird für Volker Becker das Ringen um einen zeitgenössischen
Krankheitsbegriff, um das „Wesen“ von Krankheiten. Die derzeit noch immer gül-
tige Definition von Krankheit als „fehlende Gesundheit“ durch die WHO (1958)
und von Gesundheit als „Zustand völligen körperlichen, seelischen und sozialen
Wohlbefindens“ und nicht nur „als Fehlen von Krankheit und Gebrechen“ wird von
ihm dabei mehrfach als völlig realitätsfern, naturwissenschaftlich unergiebig, anthro-
pologisch wertlos, normativ bedeutungslos und kulturgeschichtlich wie philoso-
phisch unsauber zurückgewiesen, das „Gegensatzpaar“ Krankheit - Gesundheit
angesichts des am „persuit of happiness“ orientierten „Idealbegriffs“ Gesundheit
abgelehnt. Krankheit ist, zumindest wenn sie sich in Symptomen manifestiert, Rea-
lität mit realer Raum-Zeit-Gestalt ihrer Pathophysiologie und Symptomatik,
Gesundheit ein inkommensurabler, kaum definierbarer, jedenfalls asymptomatischer
Zustand (1995).

UWE BLEYL und ERNST G. JUNG
 
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