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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2009 — 2010

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I. Das Geschäftsjahr 2009
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Wissenschaftliche Sitzungen
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Gesamtsitzung am 24. Januar 2009
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Welker, Michael: Die Anthropologie des Paulus als interdisziplinäre Kontakttheorie
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https://doi.org/10.11588/diglit.66333#0082
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SITZUNGEN

WISSENSCHAFTLICHE SITZUNG
Ihre Antrittsreden (s.S. 140ff.) halten
— Frau Hannah Monyer (lag der Redaktion nicht vor),
— Herr Hans-Georg Kräusslich,
— Herr Christoph Strohm.
HERR MICHAEL WELKER HÄLT EINEN VORTRAG:
„Die Anthropologie des Paulus als interdisziplinäre Kontakttheorie“.
Der Titel meines Beitrags könnte unter Ihnen Irritationen auslösen. Ein Vertreter der
Systematischen Theologie begibt sich auf das Gebiet der neutestamentlichen For-
schung und will die Anthropologie des Paulus als eine systematisch aufschlussreiche
Theorie interpretieren, sogar über die Theologie hinaus der Diskussion würdig. Muss
ein solcher Beitrag nicht schon im Ansatz den Charakter der kontextgebundenen
paulinischen Briefliteratur fahrlässig verkennen? Darüber hinaus behauptet der Bei-
trag, dass das Denken des Paulus in schwierigen Fragen der interdisziplinären Verstän-
digung unserer Zeit aufschlussreiche Impulse zu bieten vermag. Wird damit nicht eine
ebenso einfältige wie anachronistische Sicht vertreten, die schon angesichts des
bekannten paulinischen Dualismus von Fleisch und Geist peinlich deutlich werden
müßte? Um die meinen Beitrag leitenden Anliegen verständlich zu machen, erläute-
re ich kurz die Genese meiner Beschäftigung mit der Anthropologie des Paulus.
Vor drei Jahren brachten wir ein internationales und interdisziplinäres For-
schungsprojekt auf den Weg unter dem Titel: „Body — Soul — Spirit: Regaining a Com-
plex Concept of Human Personhood“. In der Planung hatten wir uns drei Ziele gesetzt:
Wir wollten erstens fragen: Was spricht für und was spricht gegen die gängigen
dualisierenden Anthropologien in Geschichte und Gegenwart, die mit Phänomen-
und Denkstrukturen wie „Leib und Seele“, „Geist und Körper“, aber auch „Selbst-
bewusstsein und Bewusstsein“ oder „Gehirn und Geist“ ansetzen?
Wir suchten zweitens zu prüfen, ob die theologische Rede von „Seele und
Geist“ wissenschaftlich einholbare Phänomene und Funktionen erfassen kann. Wur-
den „Seele und Geist“ mit Recht von modernen Philosophien und Psychologien,
z.B. in der Form von Theorien des Selbstbewusstseins, säkularisiert oder verdrängt?
Drittens wollten wir im Gespräch zwischen Theologie, Philosophie und Natur-
wissenschaften konsequent der leiblichen Verfassung des Menschen Rechnung zu
tragen suchen, ohne aber in naturalistische Reduktionismen zu verfallen.
Schon in der ersten Phase dieses Projekts lösten 1) ein neutestamentlicher
Impuls, 2) naturwissenschaftliche Denkangebote zu interdisziplinärer Verständigung
und 3) eine nachdrückliche philosophische Warnung das Interesse an der Fragestel-
lung auf, mit der ich mich und Sie heute befassen möchte.
Der neutestamentliche Impuls ging von einem Beitrag GerdTheißens aus, ein
Beitrag zur Differenzierung von sarx und soma, Fleisch und Leib, bei Paulus und zu
den systematisch aufschlussreichen analytischen Potentialen dieser Unterscheidung.
Die Herausforderung von Seiten anglo-amerikanischer Naturwissenschaftler lag in
rahmentheoretischen Angeboten, die sie für den Diskurs unterbreiteten. Sie suchten
 
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