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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2009 — 2010

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I. Das Geschäftsjahr 2009
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Antrittsreden
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Kind, Matthias: Antrittsrede vom 12. Dezember 2009
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https://doi.org/10.11588/diglit.66333#0160
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ANTRITTSREDEN

wir allerdings mit diesen Methoden den Fall einer Destillationskolonne, den Fall
der Mehrphasenströmung bei Verdampfung oder Wirbelschicht, oder den Fall der
Polymerisation in einem neuartigen Reaktor beschreiben, ist für die Lehre von
nachrangiger Bedeutung.
Zugegebener Maßen hat Lehre auch eine nicht-wissenschaftliche Aufgabe,
nämlich die Vermittlung von Faktenwissen, die Vermittlung eines praktisch anwend-
baren Wissenskanons. Im Vergleich zu den Fachhochschulen sollte dieser Teil an den
Universitäten allerdings nicht im Vordergrund stehen.
Diese Aussage bringt mich zur nächsten, leider hochaktuellen These: Der Regel-
abschluss eines wissenschaftlichen Studiums muss der Master sein.
Am Gymnasium streben die Schüler das Abitur an. Die Lehrpläne der Gym-
nasien sind allein auf dieses Ziel hin ausgerichtet. Will ein Gymnasiast die Schule
nach der 10. Klasse verlassen, um eine Berufsausbildung anzutreten, so ist dies mög-
lich. Ihm oder ihr wird in diesem Fall die Mittlere Reife als Voraussetzung für viele
Berufszweige zugesprochen.
Das Pendant zu den Gymnasien im Schulbereich ist die Universität im Hoch-
schulbereich. Zu ihrem Selbstverständnis gehört es, dass ihre Studenten einen wis-
senschaftlichen Abschluss anstreben. Nach Bologna heißt dieser Abschluss nicht mehr
Diplom oder Magister, sondern Master. Die Studienpläne an den Universitäten sind
vor allem auf diesen wissenschaftlichen Abschluss ausgerichtet und können in der
Regel nicht auf ein weiteres Ziel, nämlich die Berufsbefähigung nach dem 6. Seme-
ster ausgerichtet sein. Somit muss der Regelabschluss eines wissenschaftlichen Stu-
diums der Master sein. Und will ein Student oder eine Studentin die Universität mit
bestandenen Prüfungen nach dem 6. Semester verlassen, so ist dies möglich. Ihm
oder Ihr sollte in diesem Fall der Bachelor-Grad zugesprochen werden.
Nach den drei vorangegangenen Thesen komme ich zu einem letzten
Abschnitt, mit dem ich Ihnen eines meiner Forschungsgebiete erläutern will. Eine
meiner derzeitigen Arbeitshypothesen: Die numerische Simulation skalenübergreifender
populationsdynamischer Systeme gelingt durch hierarchische Modellierung.
Zum Verständnis des Hintergrundes dieser Hypothese stellen Sie sich bitte
einen zylindrischen Apparat vor, in den von unten durch einen Siebboden heiße Luft
eingeblasen wird. Wenn sich auf diesem Siebboden Granulatpartikel befinden, so wer-
den sie je nach Luftgeschwindigkeit in Bewegung gesetzt, man sagt auch fluidisiert.
Leitet man in diese sich bewegende Partikelpopulation einen Sprühstrahl einer
Lösung ein, so wird ein Teil der Tröpfchen auf den Granulatpartikeln abgeschieden.
Das Lösungsmittel verdampft in der heißen Luft und die Granulate wachsen aufgrund
der zurückblcibenden Lösungsbestandteile auf. Nicht abgeschiedene Tröpfchen wer-
den durch die heiße Luft getrocknet und werden zu Staubpartikeln, die in einem Fil-
ter zurückgehalten werden. Dieser Filterstaub wird in das fluidisierte Bett aus Granu-
latpartikeln zurückgeführt. Vorzugsweise wird auch er durch die Tröpfchen befeuch-
tet wird und kann dann an den Granulatpartikeln anhaften und zu deren Wachstum
beitragen. Dieses Verfahren wird Wirbelschicht-Sprühgranulation genannt und kann
für eine große Zahl an Produkten der Prozessindustrie eine interessante, weil gut rie-
selfahige und staubarme, Produktform aus einheitlichen Granulaten liefern.
 
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