Metadaten

Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2009 — 2010

DOI Kapitel:
III. Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses
DOI Kapitel:
A. Die Preisträger
DOI Kapitel:
Karl-Freudenberg-Preis
DOI Kapitel:
Lisker, Thorsten: Elliptische Zwerggalaxien im Virgo-Galaxienhaufen: Ursprüngliche Population oder Umwandlungsprodukt?
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.66333#0254
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
270 | FÖRDERUNG DES WISSENSCHAFTLICHEN NACHWUCHSES

im astronomischen Sinn — anwendbar ist. Jedoch erfordert eine solche Analyse
zunächst eine systematische Charakterisierung der Eigenschaften und Besonderhei-
ten von Zwerggalaxien.
Unsere detaillierten Untersuchungen elliptischer Zwerggalaxien im Virgo-
Galaxienhaufen, basierend auf den optischen Mehrfarbenaufnahmen und Spektren
des Sloan Digital Sky Survey, zeigten überraschenderweise eine komplexe Abhän-
gigkeit der internen Struktur und Zusammensetzung von der Lage und Umge-
bungsdichte im Haufen. Zunächst konnten wir mittels digitaler Bildbearbeitung
schwache Spiralarme und Balkenstrukturen in einem Teil der Galaxien identifizie-
ren. Damit war klar, dass es neben der erwarteten ellipsoiden Verteilung der Sterne
dort auch eine weitere dynamische Komponente mit Scheibenform geben muss:
Ähnlich wie in der Milchstraße können sich Spiralarme und zentrale Balken nur in
dynamisch „kühlen“ Scheiben ausbilden. Zwerggalaxien mit derartigen Strukturen
fanden wir jedoch nur in Bereichen außerhalb des Haufenzentrums — vermutlich
deshalb, weil im Zentrum die starken Gezeitenkräfte und die damit einhergehende
dynamische „Aufheizung“ die Scheiben zerstören würden.
Bei einer weiteren Gruppe elliptischer Zwerggalaxien stellten wir eine Rest-
aktivität an Sternentstehung in ihrem inneren Bereich fest. Dies zeigte sich durch die
charakteristische blaue Farbe massereicher junger Sterne mit Oberflächentempera-
turen von mehreren 10.000 Grad. Die UV-Strahlung dieser Sterne regt das umlie-
gende, übrige Gas zum Leuchten an — die resultierenden spektralen Emissionslinien
konnten wir bei mehreren Galaxien beobachten. Eigentlich nahm man an, dass in
elliptischen Zwerggalaxien kein kaltes Gas mehr vorhanden ist, aus dem neue Ster-
ne enstehen könnten. Da sich diese Galaxien aber ausschließlich im Außenbereich
des Galaxienhaufens aufhalten, war möglicherweise der Staudruck des heißen Gases,
welches den Haufen durchsetzt, noch nicht stark genug, um den Galaxien ihr kaltes
Gas zu entreißen.
Lediglich jene elliptischen Zwerggalaxien, die im Zentrum des Galaxienhau-
fens ihre Bahnen ziehen, scheinen das bisherige, „klassische” Bild ihrer Art zu bewah-
ren. Ihre Mitglieder besitzen eine kugelige Form, ohne Anzeichen für Scheiben-
komponenten, und bestehen ausschließlich aus alten Sternen. Möglicherweise han-
delt es sich hierbei um die erste Generation von Zwerggalaxien, die sich innerhalb
von Verdichtungen der Dunklen Materie formten, jenen kleinen „Halos“, die laut
kosmologischen Berechnungen zu Häuf vorhanden sein sollten. Im Gegensatz dazu
besitzen alle anderen Gruppen der elliptischen Zwerggalaxien eine stärker abgeplat-
tete Form sowie vergleichsweise jüngere Sterne. Dies könnte auf ein Entstehungs-
szenario hinweisen, in dem große Spiralgalaxien durch starke Gezeiteneffekte aus-
einandergerissen und in Zwerggalaxien umgewandelt wurden. Allerdings sind gerade
auch die Zwerggalaxien im Haufenzentrum eben jenen Gezeitenkräften ausgesetzt.
Um durch diese nicht zerstört zu werden, scheint sogar innerhalb des sichtbaren Gala-
xienbereichs ein enormer Anteil an Dunkler Materie nötig, welche die Sterne der
Zwerggalaxien zusammenhält. Darin einen unabhängigen Beweis für die Existenz
großer Mengen unsichtbarer Masse zu sehen, wäre allerdings verfrüht — zuviele
Unwägbarkeiten müssen noch durch präzisere Beobachtungsdaten überprüft werden.
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften