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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2009 — 2010

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IV. Veranstaltungen im Jubiläumsjahr
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Wolgast, Eike: Die Heidelberger Akademie der Wissenschaften - Gründung und Auftrag
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https://doi.org/10.11588/diglit.66333#0326
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342

VERANSTALTUNGEN

RINGVORLESUNG AN DER UNIVERSITÄT HEIDELBERG
IM STUDIUM GENERALE
„Die Heidelberger Akademie der Wissenschaften -
Gründung und Auftrag“
6. April 2009
Ringvorlesung „Das Europa der Akademien“
1. Der moderne Akademiegedanke
Die Heidelberger Akademie der Wissenschaften ist ein Spätprodukt des neuzeitli-
chen Akademiegedankens. Dieser entwickelte sich im 17. Jahrhundert aus dem
Ungenügen am herrschenden Wissenschaftsbetrieb, da die Universitäten weithin im
ungebrochenen Glauben an Autoritäten verharrten und ihre Aufgabe vor allem darin
sahen, tradiertes Wissen zu repetieren. Die ersten modernen Akademien wurden in
Paris und London gegründet. 1635 bekam die Academie Frangaise die königliche
Anerkennung — Richelieu wurde ihr Protektor. Sie erhielt die Aufgabe, die Natio-
nalsprache zu reglementieren und für die französische Kulturpolitik tauglich zu
machen, sie „zur vollkommensten unter den neueren Sprachen“ zu machen und zu
befähigen, „alle Künste und Wissenschaften sachgemäß zu behandeln“. Unter dem
Einfluss Colberts entstand 1663 für Philologie und Geschichte die Academie des
Inscriptions et Beiles Lettres und für die Naturwissenschaften 1666 die Academie des
Sciences. England konzentrierte sich mit der Royal Society 1662 von vornherein auf
angewandte Naturwissenschaften; die Akademie definierte sich als „College for the
promoting of physicomathematical experimental learning“.
In Deutschland war Gottfried Wilhelm Leibniz der prominenteste Vertreter
des modernen Akademiegedankens. Im Unterschied zu Westeuropa verfolgte er
jedoch einen universalistischen und enzyklopädischen Ansatz, indem er Natur- und
Geisteswissenschaften in einer gemeinsamen Forschungsinstitution zusammenfuhren
wollte — um das berühmt gewordene Losungswort zu zitieren: „Theoriam cum praxi
zu vereinigen“. Zweck und Zielrichtung der Wissenschaft hatte das bonum com-
mune, das allgemeine Wohl, zu sein — der Erkenntnisfortschritt an sich war weniger
wichtig als seine Umsetzbarkeit in Nutzen für alle. „Bloße Curiosität oder Wissens-
begierde und unfruchtbare Experimenta“ gehörten der Konzeption von Leibniz
zufolge nicht zur Aufgabe der Akademie, sie hatte vielmehr „Land und Leute, Feld-
bau, Manufacturen und Commerden und, mit einem Wort, die Nahrungsmittel zu
verbessern“. Allerdings galt ebenso: „Überdies auch solche Entdeckungen zu tun,
dadurch die überschwengliche Ehre Gottes mehr ausgebreitet und dessen Wunder
besser als bisher erkannt ... würden.“ Zur Ausstattung einer Akademie gehörten für
Leibniz Laboratorium, Bibliothek, Münzsammlung und archäologische Sammlung,
Naturalienkabinett, physikalisches Kabinett, Botanischer Garten und Druckerei, vor
allem aber eine Sternwarte, zumal sich die geplante Akademie in Berlin durch das
Kalendermonopol finanzieren sollte.
 
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