6. April 2009
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Akademie aus. Als einziger solidarisierte sich der 72-jährige Botaniker Ludwig Jost
mit seinen beiden Kollegen und gab gleichfalls seine Mitgliedschaft auf - anschei-
nend aber nur mündlich, da ein entsprechendes Schreiben nicht bei den Akten liegt,
und offenbar ohne Bezug auf den Rechtsbruch, da der neue Sekretär Achelis Josts
Entschluss „mit besonderem Bedauern“ quittierte und ihm für die langjährige Mit-
arbeit den „besonderen Dank der Akademie“ aussprach. Das Motiv von Jost wurde
erst 1947 im Nachruf des Präsidenten Dibelius öffentlich benannt: „Er trat einzig
aus dem Grunde aus, daß er die Zusammensetzung der damaligen Akademie nicht
mehr billigen konnte.“
Trotz des Drängens von Achelis, der schon 1936 eine Satzungsänderung bean-
tragt hatte, der zufolge nur Reichsbürger (im Sinne der Nürnberger Gesetze)
ordentliche Mitglieder der Akademie sein durften, verzögerte sich die von ihm — mit
Panzer im Gefolge - angestrebte reichseinheitliche Regelung. Das Reichserzie-
hungsministerium war wegen der korrespondierenden ausländischen Mitglieder und
überhaupt wegen der Reaktion der wissenschaftlichen Öffentlichkeit des Auslands
lange zögerlich. Erst im November 1938 wies das Ministerium die deutschen Aka-
demien an, neue Satzungen auszuarbeiten, durch die rassisch Missliebige mit dem
Instrument des Reichsbürgergesetzes von 1935 zum Verlassen der Akademie
gezwungen werden sollten, wenn sie nicht von sich aus austraten. Panzer verschick-
te als geschäftsfuhrender Sekretär am 17. März 1939 einen entsprechenden Fragebo-
gen an alle Mitglieder, ob sie zu dem betroffenen Personenkreis („Juden, Mischlin-
ge und Herren, die mit Jüdinnen oder Mischlingen ersten Grades verheiratet sind“)
gehörten. Insgesamt verlor die Heidelberger Akademie von 37 ordentlichen Mit-
gliedern (Stand 1933) acht. Auch die außerordentlichen Mitglieder wurden nach ras-
sischen Kriterien überprüft: Von 38 verloren fünf ihre Mitgliedschaft. Für Eberhard
Freiherr von Künßberg, der „nichtarisch versippt“ war, erteilte das Ministerium eine
Ausnahmegenehmigung, da er als Leiter des Deutschen Rechtswörterbuchs unent-
behrlich schien. Dem als „Vierteljuden“ eingestuften Ernst Hoffmann verweigerte
das Ministerium dieses Privileg; er wurde aber wegen der Cusanus-Ausgabe gewis-
sermaßen halblegal geduldet.
In ihrem Wahlverhalten war die Heidelberger Akademie während des ganzen
Dritten Reiches frei, es gab keine oktroyierten Mitgliedschaften. Gewählt wurden
sowohl Anhänger des Regimes als auch Kritiker und Gegner (etwa Gerhard Ritter,
Willy Hellpach), zumeist jedoch Mitläufer und Opportunisten, die sich mit den
Gegebenheiten arrangierten und notfalls verbale Konzessionen machten. Seit 1939
musste der Reichserziehungsminister jede Wahl bestätigen und verfügte auch über
ein Widerrufsrecht. Es ist nicht bekannt, dass er gegenüber Heidelberg in dieser
Richtung tätig geworden ist.
1939 änderte die Heidelberger Akademie auf Weisung des Reichserziehungs-
ministeriums ihre Satzung. Die auswärtige und die außerordentliche Mitgliedschaft
gingen in der neuen Kategorie der korrespondierenden Mitglieder auf; das Einzugs-
gebiet wurde für ordentliche Mitglieder auf ganz Baden, 1940 auf ganz Südwest-
deutschland (außer Freiburg und Karlsruhe, Frankfurt, Darmstadt und seit 1941
Straßburg), ausgedehnt, soweit der Wohnort die regelmäßige Beteiligung an den
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Akademie aus. Als einziger solidarisierte sich der 72-jährige Botaniker Ludwig Jost
mit seinen beiden Kollegen und gab gleichfalls seine Mitgliedschaft auf - anschei-
nend aber nur mündlich, da ein entsprechendes Schreiben nicht bei den Akten liegt,
und offenbar ohne Bezug auf den Rechtsbruch, da der neue Sekretär Achelis Josts
Entschluss „mit besonderem Bedauern“ quittierte und ihm für die langjährige Mit-
arbeit den „besonderen Dank der Akademie“ aussprach. Das Motiv von Jost wurde
erst 1947 im Nachruf des Präsidenten Dibelius öffentlich benannt: „Er trat einzig
aus dem Grunde aus, daß er die Zusammensetzung der damaligen Akademie nicht
mehr billigen konnte.“
Trotz des Drängens von Achelis, der schon 1936 eine Satzungsänderung bean-
tragt hatte, der zufolge nur Reichsbürger (im Sinne der Nürnberger Gesetze)
ordentliche Mitglieder der Akademie sein durften, verzögerte sich die von ihm — mit
Panzer im Gefolge - angestrebte reichseinheitliche Regelung. Das Reichserzie-
hungsministerium war wegen der korrespondierenden ausländischen Mitglieder und
überhaupt wegen der Reaktion der wissenschaftlichen Öffentlichkeit des Auslands
lange zögerlich. Erst im November 1938 wies das Ministerium die deutschen Aka-
demien an, neue Satzungen auszuarbeiten, durch die rassisch Missliebige mit dem
Instrument des Reichsbürgergesetzes von 1935 zum Verlassen der Akademie
gezwungen werden sollten, wenn sie nicht von sich aus austraten. Panzer verschick-
te als geschäftsfuhrender Sekretär am 17. März 1939 einen entsprechenden Fragebo-
gen an alle Mitglieder, ob sie zu dem betroffenen Personenkreis („Juden, Mischlin-
ge und Herren, die mit Jüdinnen oder Mischlingen ersten Grades verheiratet sind“)
gehörten. Insgesamt verlor die Heidelberger Akademie von 37 ordentlichen Mit-
gliedern (Stand 1933) acht. Auch die außerordentlichen Mitglieder wurden nach ras-
sischen Kriterien überprüft: Von 38 verloren fünf ihre Mitgliedschaft. Für Eberhard
Freiherr von Künßberg, der „nichtarisch versippt“ war, erteilte das Ministerium eine
Ausnahmegenehmigung, da er als Leiter des Deutschen Rechtswörterbuchs unent-
behrlich schien. Dem als „Vierteljuden“ eingestuften Ernst Hoffmann verweigerte
das Ministerium dieses Privileg; er wurde aber wegen der Cusanus-Ausgabe gewis-
sermaßen halblegal geduldet.
In ihrem Wahlverhalten war die Heidelberger Akademie während des ganzen
Dritten Reiches frei, es gab keine oktroyierten Mitgliedschaften. Gewählt wurden
sowohl Anhänger des Regimes als auch Kritiker und Gegner (etwa Gerhard Ritter,
Willy Hellpach), zumeist jedoch Mitläufer und Opportunisten, die sich mit den
Gegebenheiten arrangierten und notfalls verbale Konzessionen machten. Seit 1939
musste der Reichserziehungsminister jede Wahl bestätigen und verfügte auch über
ein Widerrufsrecht. Es ist nicht bekannt, dass er gegenüber Heidelberg in dieser
Richtung tätig geworden ist.
1939 änderte die Heidelberger Akademie auf Weisung des Reichserziehungs-
ministeriums ihre Satzung. Die auswärtige und die außerordentliche Mitgliedschaft
gingen in der neuen Kategorie der korrespondierenden Mitglieder auf; das Einzugs-
gebiet wurde für ordentliche Mitglieder auf ganz Baden, 1940 auf ganz Südwest-
deutschland (außer Freiburg und Karlsruhe, Frankfurt, Darmstadt und seit 1941
Straßburg), ausgedehnt, soweit der Wohnort die regelmäßige Beteiligung an den