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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2011 — 2012

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I. Das Geschäftsjahr 2011
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Jahresfeier am 28. Mai 2011
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Löhneysen, Hilbert von: Festrede von Hilbert von Löhneysen: „Stromfluss ohne Widerstand – Hundert Jahre Supraleitung“
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https://doi.org/10.11588/diglit.55657#0031
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JAHRESFEIER

erste Theorie der Elektronen in Metallen, die Theorie des „freien Elektronengases“.
Dass Elektronen ununterscheidbar sind und den Gesetzen der Quantenmechanik
unterliegen, wurde erst 1927 von Sommerfeld und Bethe berücksichtigt. Dazu spä-
ter mehr.
Heike Kamerlingh Onnes, Professor an der Universität Leiden, war es 1908 als
erstem gelungen, das „permanente Gas“ Helium zu verflüssigen. Helium siedet bei
-269° C, d. h. nur 4,2 K über dem absoluten Nullpunkt. Abb. 3 zeigt zur Erläuterung
die Skala der absoluten Temperatur. Ein Foto des ersten Helium-Verflüssigers zeigt
Abb. 4. Das war eine technische Meisterleistung, wie auch aus der Würdigung des
Nobelpreiskomitees — „for his investigations on the properties of matter at low tem-
peratures which led, inter alia, to the production on liquid helium“ - deutlich wird.
Kamerlingh Onnes machte sich sofort daran, das elektrische Verhalten von Metallen
bei tiefen Temperaturen zu untersuchen. Nach den Vorstellungen von Drude sollte
der Widerstand mit fallender Temperatur abnehmen. Andererseits postulierte William
Thomson, der spätere Lord Kelvin, zu dessen Ehren die Einheit der absoluten Tem-
peratur mit Kelvin (K) bezeichnet wird, dass die Elektronen bei tiefen Temperaturen
stärker an die positiv geladenen Ionen gebunden werden, der Widerstand also zuneh-
men sollte. Kamerlingh Onnes wählte als Metall Quecksilber, da dies durch Destil-
lation in besonders reiner Form dargestellt werden konnte. Er bestätigte die Vermu-
tung von Drude, fand aber - wie so häufig bei großen Entdeckungen durch eine
Kombination von tiefer physikalischer Einsicht, technischem Können und Serendi-
pität - Supraleitung, was er lakonisch in seinem Laborbuch notierte: „Kwik
nagenoeg nul“2 *. Auf dem berühmten Bild von der ersten Solvay-Konferenz 1911
(Abb. 5) sieht man ihn zwischen Albert Einstein und Ernest Rutherford stehen. Man
meint den Stolz über die Entdeckung seinem Gesicht ablesen zu können. Übrigens
hatte Kamerlingh Onnes auch zwei Jahre in Heidelberg studiert, von 1871 bis 1873,
unter anderem bei Robert Bunsen und Gustav Kirchhoff.
Schon bald wurde bekannt, dass ein äußeres Magnetfeld die Supraleitung
unterdrückt, Supraleitung besteht nur bis zu einem kritischen Feld Bc. Kamerlingh
Onnes führte auch hierzu bereits Versuche durch. Eine eindeutige Aussage zum
Verhalten eines Supraleiters im Magnetfeld gelang aber erst Walther Meißner und
Robert Ochsenfeld 1933: Im Innern eines homogenen Supraleiters ist die magne-
tische Induktion B, die sich allgemein zusammensetzt aus dem außen angelegten
Magnetfeld Bo = [1OH und der Magnetisierung M, also B = (H + A4), gleich Null
(jl0 = 4Jt • 10“7 Vs/Am ist die magnetische Feldkonstante), also M = - H. Somit
erzeugt der Supraleiter eine Magnetisierung, die genau so groß wie das äußere
Magnetfeld H und diesem entgegengesetzt ist. Der Supraleiter ist somit nicht nur ein
idealer Leiter, sondern auch ein idealer Diamagnet. Den Unterschied zu einem
unmagnetischen normalleitenden Metall (Abb. 6, links) illustriert Abb. 6, Mitte.
Genau genommen gilt B = 0 nur bis auf eine dünne Oberflächenschicht (Dicke ~

2 Das Faksimile des Laborbuchs mit diesem Eintrag („Quecksilber nahe Null“) findet man unter:
www.museumboerhave.nl/tentoonstellingen/n4-en-straks/kvik-nagenoeg-nul/
 
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