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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2011 — 2012

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III. Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses
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B. Das WIN-Kolleg
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4. Forschungsschwerpunkt
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Raumordnung, Norm und Recht in historischen Kulturen Europas und Asiens
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https://doi.org/10.11588/diglit.55657#0340
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Das WIN-Kolleg

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Ordnungskonzepte. Kachele Dubbini (Mitarbeiterin im WIN-Projekt) gab einen
Überblick über die städtebauliche Entwicklung Korinths in der Archaik, wo seit dem
8. Jh. v. Chr. eine stetig voranschreitende Durchdringung des Stadtgebietes mit
zunehmend monumental ausgestalteten Kultanlagen zu beobachten ist, die mit der
sukzessiven Entwicklung der späteren Agora zu einem zentralen öffentlichen, von
Sakral- und Wohnräumen getrennten Ort einhergeht. Beide Prozesse seien als Aus-
druck des Bemühens der Stadtherren aus der Bakchiaden- und später Kypseliden-
dynastie zu werten, in der städtischen Topographie Bezugspunkte zur Erzeugung
einer Polisidentität zu schaffen, die letztlich der Herrschaftssicherung dienen sollte.
Das Beispiel der Stadt Sagalassos in der kleinasiatischen Landschaft Pisidien nutzte
Peter Eich (ehemals Kollegiat, jetzt assoziiertes Mitglied des WIN-Projekt), um zu
demonstrieren, wie sich die imperiale Ordnung des römischen Kaiserreichs in städ-
tische Topographien einschrieb. In Sagalassos ist dies etwa an der Gestaltung des poli-
tischen Zentrums am sog. Obermarkt zu beobachten, der im 1. Jh. n. Chr. auf allen
seiner vier Seiten mit Bogenmonumenten geschmückt wurde, die Inschriften und
wohl auch Statuen für Kaiser trugen, oder an der späteren Markierung der wichtig-
sten Ausfallstraßen der Stadt durch große Baumaßnahmen an Heiligtümern im
Namen der Kaiser. Der städtische Raum als Ganzer und zentrale Orte in ihm wur-
den so durch imperiale Symbole sozusagen „eingefriedet“.
Auch zweiVorträge der anschließenden Sektion „Raum und die Ordnung des
Sozialen“ befassten sich mit der Frage, wie architektonische Arrangements Ord-
nungskonzepte zum Ausdruck bringen. Ellen Adams (King’s College London) stell-
te Überlegungen an, ob die in der Forschung zum minoischen Kreta häufig auf Sied-
lungen und Palastanlagen angewandten Kategorien „private“ vs. „öffentliche
Räume“ einer kritischen Prüfung des archäologischen Befunds standhalten. Das
Ergebnis sei weitgehend negativ; gleich ob man Wohngebiete, die Paläste oder
Straßen behandele, und gleich welche Kriterien — Zugänglichkeit, Sichtbarkeit, Art
der Praktiken in diesen Räumen - man anlege, lasse sich nicht beweisen, dass die
sozialen Ordnungskonzepte „privat“ und „öffentlich“ auf die Gesellschaften des
minoischen Kreta anwendbar sind. Mit der Nekropole der kretischen Siedlung
Mochlos im 2.Jtsd. v. Chr. befasste sich Kathryn Soar (The Open University Not-
tingham). Sie argumentierte, dass die Nekropole als Bühne für performative Akte,
v. a. Prozessionen, diente, in denen soziale Hierarchien demonstriert und zugleich
hergestellt wurden; diese Funktion spiegele sich auch in der räumlichen Anlage und
Ausgestaltung dieser Nekropolen.
Auf Raumkonzepte dagegen fokussierten die beiden anderen Vorträge der
Sektion. John Dillon (ehemals Mitarbeiter des WIN-Projekts, jetzt in Exeter) unter-
suchte die Genese der unterschiedlichen Kategorien „heiligen Landes“ im römi-
schen Sakralrecht. Dabei vertrat er die These, dass diese Kategorien sich sehr langsam
und maßgeblich durch die Begegnung und Auseinandersetzung der Römer mit
fremden Kulten im Rahmen der politischen Expansion entwickelten. Anders als die
elaborierten und sehr alt wirkenden Konzepte suggerieren, wie sie in kaiserzeitlichen
Texten auftauchen, entstand das komplizierte römische Recht sakraler Räume nach
Dillon also sukzessive in der Praxis und teilweise recht spät. Bleibt neben „privat vs.
 
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