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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2012 — 2013

DOI Kapitel:
I. Das Geschäftsjahr 2012
DOI Artikel:
Leopold, Silke: Text – Musik – Aktion.Welche Sprache sprechen die Leidenschaften?
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https://doi.org/10.11588/diglit.55656#0073
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SITZUNGEN

— Wahl eines Mitglieds in die Kommission „Komödienfragmente“
Gewählt wird Herr Kannicht (Tübingen).
— Wahl eines Mitglieds in die Kommission „Südwestdeutsche Hofmusik“
Gewählt wird Herr M. Meier (Tübingen).
6. Wahlen
Wahl des Präsidenten
Die Klasse votiert einstimmig dafür, Herrn Kirchhof für die Wahl des Präsidenten
der Akademie zu nominieren.
Wahl des WIN-Koordinators
Die Klasse schlägt einstimmig Herrn Maran zur Wahl des WIN-Koordinators vor.

WISSENSCHAFTLICHE SITZUNG
FRAU SILKE LEOPOLD HÄLT EINEN VORTRAG:
„Text — Musik — Aktion. Welche Sprache sprechen die Teidenschaften?“
„Ich sehe überdas die Opera so an, wie sie ist: nämlich als eine Beförderung der Wollust, und
Verderberinn guter Sitten. Die zärtlichsten Töne, die geilesten Poesien, und die unzüchtigsten
Bewegungen der Opernhelden und ihrer verliebten Göttinnen bezaubern die unvorsichtigen
Gemüter, und flößen ihnen ein Gift ein, welches ohnedem von sich selbst schon Reizungen
genug hat. (...) So ist denn die Oper ein bloßes Sinnenwerk: der Verstand und das Herz
bekommen nichts davon. Nur die Augen werden geblendet; nur das Gehör wird gekützelt und
betäubet: die Vernunft aber muß man zu Hause lassen, wenn man in die Oper geht. “
Johann Christoph Gottsched war kein Freund der Oper. Aber was er in seinem Ver-
such einer critischen Dichtkunst 1730 aussprach, machte deutlich, wie eng die Büh-
nenaktion in der Oper an den Text und die Musik gebunden war.
Wie Monteverdi vor ihm und Mozart nach ihm gehört auch Georg Friedrich
Händel zu den Komponisten, die ihre Musik nicht primär als Erfüllung von musi-
kalischen Formmodellen verstanden, sondern aus der Vorstellung einer dramatischen
Situation, einer imaginierten Szene heraus erfanden. Seine Musik schöpft ihre Kraft
aus den dargestellten Teidenschaften der menschlichen Seele. Der Text, den Händel
jeweils zu vertonen hatte, spielt dabei eine wichtige, aber nicht die entscheidende
Rolle. Und die Bühnenaktion, sei es die reale der Oper oder die virtuelle des
Oratoriums, ist integraler Teil seiner musikalischen Erfindung und trägt das Ihre dazu
bei, den Leidenschaften eine Stimme zu geben.
Text ist, ebenso wie Musik und wie Aktion, eine Sprache. Wie alle Sprachen
lassen sich auch diese drei erlernen, und wie alle Sprachen manifestiert sich in ihnen
ein ganzer Kosmos von Ausgesprochenem und Unausgesprochenem, von offenen
 
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