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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2012 — 2013

DOI Kapitel:
I. Das Geschäftsjahr 2012
DOI Artikel:
Walter, Stefanie: Wie Regierungen auf Finanzkrisen reagieren. Lehren aus vergangenen Krisen für die Eurokrise
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https://doi.org/10.11588/diglit.55656#0085
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104

SITZUNGEN

die durch die starken Ungleichgewichte in den Zahlungsbilanzen der Eurostaaten
entstanden ist. Auf der einen Seite stehen hier Überschussländer wie Deutschland,
die eine hohe Wettbewerbsfähigkeit und Exportorientiertheit aber hohe Kapital-
abflüsse ins Ausland aufweisen. Auf der anderen Seite stehen die Defizitländer,
die durch hohe ausländische Kapitalzuflüsse, sinkende Wettbewerbsfähigkeit, häufig
eine Überhitzung der Wirtschaft und steigende Löhne und oft — aber nicht immer
— Haushaltsdefizite gekennzeichnet sind. Durch die Kombination von hohen
Leistungsbilanzdefiziten und Kapitalbilanzüberschüssen sind letztere Staaten sehr
anfällig für Zahlungsbilanzkrisen, insbesondere dann, wenn private Kapitalzuflüsse
wie in der globalen Finanzkrise austrocknen.
Angesichts solcher Krisen müssen Defizitländer die internationale Wettbe-
werbsfähigkeit ihrer Produkte wiederherstellen. Um die dazu benötigte Senkung der
einheimischen Preise relativ zu den ausländischen Preisen zu erreichen, gibt es zwei
alternative Reformstrategien: Eine „Externe Anpassung“, bei der die relativen Preise
durch eine Abwertung des Wechselkurses angepasst werden, oder eine „interne
Anpassung,“ bei der eine restriktive Geldpolitik und/oder Fiskalpolitik und/oder
Strukturreformen die einheimischen Produktionskosten gesenkt werden. Gleich-
zeitig besteht zumindest kurz- bis mittelfristig zudem die Option, das Handels-
bilanzdefizit durch ausländische Währungsreserven oder ausländische Kapitalzuflüsse
zu finanzieren. Allerdings führt letztere Strategie oft zu einer Vergrößerung des Han-
delsbilanzdefizits, so dass langfristig hierbei noch größere Anpassungen externer oder
interner Art vorgenommen werden müssen.
Die bisherige Forschung sieht dabei das Problem, dass die Kosten einer inter-
nen Anpassung — Rezession, sinkende Löhne, steigende Arbeitslosigkeit, Kürzung
staatlicher Transfers etc. — für den normalen Bürger typischerweise so schmerzhaft
sind, dass sich demokratische Staaten aufgrund der hohen politischen Kosten, die
diese Strategie beinhalten würde, sich dazu nicht durchringen können (Eichengreen
1992; Simmons 1994). Die wütenden Bürgerproteste in Griechenland, Spanien und
Portugal gegen die Sparmaßnahmen ihrer Regierungen zeigen dieses Problem deut-
lich. Anstelle dessen wird typischerweise extern angepasst, was zwar auch die Kauf-
kraft der Bürger beschneidet, aber durch die Stärkung der Exportwirtschaft zu einer
gesamtwirtschaftlichen Expansion beitragen kann. Unglücklicherweise ist diese
Option für die Eurostaaten jedoch mit enorm hohen Kosten verbunden, da sie einen
Austritt aus dem Euro und der EU bedeuten würde.
Allerdings zeigt die jüngste Vergangenheit, dass es durchaus einige wenige
Demokratien gibt, die es schaffen, eine interne Anpassung umzusetzen. Bulgarien,
Estland, Lettland und Litauen haben dies im Zuge der globalen Finanzkrise (2008—
2010) geschafft. Dies wirft die Fragen auf, unter welchen Umständen eine interne
Anpassung trotz der hohen Kosten auch in Demokratien möglich ist. Hier lässt sich
zeigen, dass dies insbesondere dann der Fall ist, wenn eine Währungsabwertung für
die Bürger hohe Kosten bei vergleichsweise geringem Nutzen produziert und der
nationale Kontext gleichzeitig Rahmenbedingungen liefert, welche die Kosten
interner Anpassung abfedern (Walter i.E.). In den baltische Staaten und Bulgarien
wäre eine Abwertung der nationalen Währungen beispielsweise durch die sehr hohe
 
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