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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2012 — 2013

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I. Das Geschäftsjahr 2012
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Jäger, Willi: Friedrich Hirzebruch (17.10.1927 – 27.5.2012)
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https://doi.org/10.11588/diglit.55656#0146
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Friedrich Hirzebruch

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wicklung in einem neuen, wichtigen Forschungsgebiet. Ein entscheidender wissen-
schaftlicher Durchbruch gelang dem jungen Hirzebruch mit der Verallgemeinerung
des grundlegenden Riemann-Roch-Theorems für kompakte Riemannsche Flächen
auf komplexe Mannigfaltigkeiten beliebiger Dimension. Diese ist allgemein als
Hirzebruch-Riemann-Roch Theorem bekannt und leitete einen wichtigen Zweig
mathematischer Forschung ein. In seinen weiteren Untersuchungen lieferte er
grundlegende Beiträge zur K-Theorie, zur Theorie charakteristischer Klassen und zu
Hilbertschen Modulflächen. Er baute wichtige Brücken zwischen Analysis, Geo-
metrie und Algebra.
Er gab nicht nur durch seine wissenschaftlichen Arbeiten entscheidende
Beiträge und richtungsweisende Impulse in der mathematischen Forschung, sondern
gestaltete durch seine Ideen und Aktivitäten die wissenschaftliche Landschaft natio-
nal, aber auch international wesentlich mit. Nachdem er aus Princeton nach Bonn
berufen wurde, baute er Bonn zu einem Zentrum der Mathematik aus, in dem sich
die wichtigsten Mathematiker aus aller Welt wie am Institute for Advanced Studies
in Princeton zum wissenschaftlichen Austausch und zur gemeinsamen Forschung
treffen. Er schuf die „Arbeitstagung“, die international hohes Ansehen genoss und
die Besten in der Forschung anzog. Zu deren Gründungsmitgliedern zählten auch
Atiyah, Grauert, Grothendieck, Kuiper und Tits, die an der Spitze der mathemati-
schen Grundlagenforschung standen. Er war Sprecher des ersten Sonderforschungs-
bereiches in Mathematik, den die Deutsche Forschungsgemeinschaft finanzierte,
und der unter dem Titel „Theoretische Mathematik“ hervorragende Grundlagen-
forschung, aber auch ebenso gute Ausbildung von wissenschaftlichem Nachwuchs
leistete. Die Max-Planck-Gesellschaft entschied sich folgerichtig, Hirzebruch die
Gründung und den Aufbau des Max-Planck-Institutes für Mathematik in Bonn zu
übertragen. Dieses gehört zu den Spitzenzentren der mathematischen Grundlagen-
forschung. Viele von Hirzebruch geprägte Mathematiker gelangten national und
international in führende Positionen.
Hirzebruch beeindruckt nicht nur durch seine herausragenden Leistungen in
Forschung und Lehre, sondern auch durch sein Wirken in der wissenschaftlichen
Gemeinschaft. Er übernahm national und internationalVerantwortung weit über sein
eigenes Interessensgebiet hinaus und setzte sich in zahlreichen Funktionen für die
Förderung der Wissenschaft und der Wissenschaftler ein. Als Vorsitzender der Deut-
schen Mathematiker Vereinigung in zwei für Deutschland sehr wichtigen Zeiten, zur
Zeit des Mauerbaus und kurz nach der Wiedervereinigung, und in anderen wichti-
gen Positionen, setzte er sich intensiv für die Belange der Wissenschaft in ganz
Deutschland ein. Er übernahm auch besondere Verantwortung für die Pflege der
wissenschaftlichen Beziehungen zu Osteuropa und zu Israel. Er verfolgte den
Brückenbau zu den anderen Wissenschaften und zu den Anwendungen von Mathe-
matik. Dabei war ihm und seinen wissenschaftlichen Partnern die Beziehung zur
Theoretischen Physik besonders wichtig.
Im Rückblick wird Hirzebruch treffend als „Architekt moderner Mathema-
tik“ bezeichnet. Jeder, der die Chance hatte, ihn persönlich kennenzulernen, ist
ebenso beeindruckt durch die Ausstrahlung, die von ihm als Person ausging.
 
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