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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2012 — 2013

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https://doi.org/10.11588/diglit.55656#0261
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280 | FÖRDERUNG DES WISSENSCHAFTLICHEN NACHWUCHSES

Zäsuren dabei als stoffliche und mikronarrative Grundlagen spielen und welche
historischen Verschiebungen und transgenerischen Effekte sich in der Narrativierung
der Lebensalter dokumentieren lassen.
Die Ergebnisse der einzelnen fachwissenschaftlichen Analysen seien ab-
schließend kurz skizziert:
1. Die evangelische Theologin Kathrin Liess untersuchte in ihrem Teilprojekt
Lebensphasen und Alterskonzepte im Alten Testament und fragte anhand von drei
Textkorpora, der erzählenden Literatur (Erzelternerzählungen Genesis 12—50),
der Psalmenliteratur und der Weisheitsliteratur (Proverbien; Hiob; Jesus Sirach;
Weisheit Salomons), nach der biblischen Sicht des hohen Alters. Dabei konnten
sehr unterschiedliche Alterskonzepte herausgearbeitet werden, die von den Sinn-
bereichen von Vergänglichkeit, Lebenszeit und Alter bis zum Topos vom weisen
Alten, aber auch dem jung Verstorbenen reichen, dem in der späten Weisheit
(Weisheit Salomons) trotz des geringen objektiven Alters Lebensklugheit und
Greisenalter zugesprochen werden können. Für die durch ihre symbolisch zu ver-
stehenden hohen Lebensalter herausgehobenen Figuren der Erzelternerzählungen
wurde gezeigt, wie das Thema „(Lebens-)Alter“ unter der besonderen Perspektive
übermenschlicher Lebenszeiten narrativiert wird.
2. Die Latinistin Dorothee Elm analysierte den Gebrauch von Lebensalterdarstellun-
gen in Texten der römischen Kaiserzeit. An einem Korpus von forensischen und
panegyrische Reden, Biographien und Märtyrerberichten aus dem langen zwei-
ten Jahrhundert n. Chr. wurde gezeigt, wie in pragmatisch ausgerichteten, aber
dennoch ästhetisch geformten (Selbst)darstellungen das Lebensalter inszeniert und
zum Argument gemacht wird. Am Beispiel des vergöttlichten Kaisers und solcher
literarischer Figuren wie Apuleius, Peregrinus Proteus oder Perpetua zeigte sich,
dass zwar der altersabhängige Habitus durch gängige Verbalisierungsmuster und
Rezeptionserwartungen geprägt ist. Die Untersuchung konnte jedoch auch zei-
gen, wie ein Repertoire an altersspezifischen habituellen Verhaltensweisen und
Ausdrucksformen nicht lediglich reproduziert, sondern variiert wird, so dass
immer neu verhandelt werden kann, welche aktuelle Gültigkeit das Wissen von
den Lebensaltern besitzt.
3. Die Mediävistin Sandra Linden betrachtete in ihrem Teilprojekt am Beispiel höfi-
scher und frühneuzeitlicher Romane die Wechselwirkungen von Genealogie und
Lebensaltern im vormodernen Erzählen als Spannung von Identität und Diffe-
renz. Es wurden narrative Freiräume analysiert, die sich im vormodernen Erzählen
aus der Lebensalterthematik und insbesondere aus der Kombination der Lebens-
alterdarstellung mit dem Denkmuster der Genealogie ergeben. So wurde gezeigt,
wie bereits das vormoderne Erzählen im fiktionalen Entwurf Zeit und Lebensal-
ter etwa über das Muster des Jungbrunnens modellieren kann. Für den höfischen
Roman wurde in Konzentration auf die Enfances, also die Erzählung von der
Kindheit des Helden und der Elternvorgeschichte, ein Erzählen der frühen
Lebensphase in ihrer genealogischen Sinnbildung konturiert. Die Kombination
von Lebensaltern und genealogischer Prägung zeigte sich als wichtiges narratives
Instrument der Figurenzeichnung.
 
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