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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2012 — 2013

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https://doi.org/10.11588/diglit.55656#0269
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FÖRDERUNG DES WISSENSCHAFTLICHEN NACHWUCHSES

entstehen. Im laufenden Jahr haben wir dieses System zu einem quantitativ definier-
ten experimentellen Paradigma entwickelt, indem wir unter definierten Bedingun-
gen und mit definierten Mischungsraten unterschiedlich genetisch manipulierter
Zellen morphometrisch definierte Zellaggregate aus Hydrazellen generieren. Wir
konnten so die Kinetik der Entstehung und die Größe der jeweilig induzierten
Körperachsen-Organisatoren sowie deren räumliche Abstände quantifizieren. Im
Speziellen untersuchten wir, wie die Kinetik derToplogie der 3D-Körperachsenbil-
dung von Wnt-Morphogenmolekülen abhängt. Der Wnt-Signalweg wurde schon
früher als ausreichend für eine ektopische Initiierung neuer Körperachsen in adul-
ten Hydren beschrieben. Adulte Hydren besitzen allerdings schon ein etabliertes
Morphogenfeld auf ihrer epithelialen Körperoberfläche. Ob und wie Wnt-Signale
während der selbstorganisierenden de now-Musterbildung und Gewebemorpho-
genese in Hydra-Zellaggregaten funktionieren, ist noch unbekannt. Unsere Hypo-
these war, dass Wnt3a als Schlüsselligand für die Achsen-Musterbildung in den
Zellaggregaten fungieren könnte, da rekombinantes Wnt3a-Protein die Kapazität der
Kopf-Organisatorbildung in adulten Tieren stimuliert.
In unseren Experimenten beobachteten wir, dass überraschenderweise nicht
die absolute Menge vom Wnt3a, wie beschrieben und angenommen, sondern lokal
differentielle Unterschiede in Wnt3a-Konzentration pro Zelle für die globale 3D-
Gewebemorphogenese notwendig sind. Dies wurde unabhängig sowohl durch
chemische als auch genetische Wnt3a-Aktivierung in transgenen Zellaggregaten
dokumentiert. Im Speziellen zeigen wir, dass Differentialwerte in Wnt3a-Mengen in
der Ausgangspopulation des Zellaggregats, i.e. der Grad der Wnt3a-Inhomogenität,
die Geschwindigkeit der Entwicklung der Musterbildung steuern, während zu hohe
initiale Differentialwerte in Wnt3a-Expressionsmengen die Gewebemorphogenese
blockieren. Wir definieren ein kritisches Zeitfenster, während dessen eine differenti-
elle Wnt-Präsentierung in den Zellen des Zellaggregats vorherrschen muss. Dieses
Zeitfenster beginnt nach dem Zeitpunkt der epithelialen Organisation und endet
vor der Etablierung der Körperachsenorganisatoren. Interessanterweise entdeckten
wir, dass die zytoskelettäre F-Aktin-Polarisierung (direktionale/orientierte Organi-
sierung) von einzelnen Zellen im neuentstandenen Epithelgewebe durch die Akti-
vität des Wnt-Signalwegs gesteuert wird. Wir postulieren, dass die Wnt-gesteuerte
Polarisierung einzelner Zellen auf differentiellen Wnt-Signalisierungsstärken beruht
und dass die koordinierte Einzelzellpolarisierung der zugrundeliegende Mechanis-
mus sein könnte, wie Wnt die epitheliale Morphogenese auf Gewebeniveau in
Hydra determiniert. Unsere Daten könnten einen allgemeinen Mechanismus andeu-
ten, wie differentielle Wnt-Mengen über subzelluläre Zytoskelettpolarisierung die de
novo-Musterbildung auch für andere relevante biologische Systeme steuern.
1.2. Gewebemorphogenese in Hydra-Zellaggregaten — Mathematische Modellierung
Bereits in den Vorjahren wurden ein mathematisches Modell und numerische Simu-
lationsniethoden für die Gewebemorphogenese in Hydra entwickelt. Mithilfe dieses
Modells und seinen Simulationen konnte erstmals gezeigt werden, dass bereits ein
 
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