26. Oktober 2013
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nicht nur fremde Regierungen interessiert. Oftmals ist es die eigene Regierung, wel-
che Schlupflöcher öffnet, damit sie selber nach Verdächtigem suchen kann. Wenn die
Architektur der Datenknoten es beispielsweise heute erlaubt, dass in Europa sämtli-
che Datenknoten online fernüberwacht werden können, dann geht das direkt auf
europäische Regierungsentscheide zurück, welche von den Telekommunikationsfir-
men umgesetzt wurden. Man wollte ja online Zugriff auf alle Daten haben. Wenn
aber Regierungen einmal grundsätzlich Zugriff auf Datenleitungen haben, dann
muss man damit rechnen, dass irgendwann nicht mehr nur die Bankdaten jedes Bür-
gers abgerufen werden, sondern dass man auch auf andere Daten zurückgreifen wird.
Mehr noch, wenn die eigene Regierung die Türen für den Zugriff auf die Daten
öffnet, dann muss man damit rechnen, dass auch jeder andere sich diesen Zugang
verschaffen kann. Das Interesse des eigenen Staates am Bürger und das Interesse von
Dritten an diesem Bürger stehen irgendwann den eigenen Interessen nach Privats-
phäre und Sicherheit entgegen. Dabei ist natürlich klar, dass der Staat für die
Bekämpfung von Verbrechen auch geeignete Mittel braucht. Es ist aber auch klar,
dass man dem Staat nicht alle Informationen geben kann, die er wünscht. Wir dür-
fen nicht so naiv sein und davon ausgehen, dass jeder vom Staat beschäftigte Mitar-
beiter mit den aus dem Netz gewonnenen Informationen sorgfältig umgeht — oder
diese nie missbraucht. Und noch weniger sollten wir davon ausgehen, dass der Staat
selber diese Informationen nie missbrauchen wird. In diesem Zusammenhang ist
auch das Aufkommen der Piratenpartei interessant. Es ist eine Partei, deren Expo-
nenten mit der digitalen Datenrevolution aufgewachsen sind. Es ist eine Partei, deren
einziges verbindendes Ideal die Forderung nach der „Freiheit im Netz“ zu sein
scheint. Mit Erstaunen stellt man fest, dass es nun Politiker gibt, welche nicht mehr
wegen einer sozialen, wirtschaftlichen oder anders gearteten ideellen Ausrichtung
gewählt werden, sondern nur deshalb, weil sie sich dafür stark machen, im Netz nach
Belieben walten, kopieren und schalten zu können. Das stimmt nachdenklich. Es
zeigt, welchen Stellenwert das Internet heute hat. Der Fall der 15-jährigen Amanda
Todd aus Kanada zeigt auf tragische Weise, wie gerade junge Menschen mit dieser
neuen Freiheit nicht umgehen können. Als 12-jährige sandte Amanda ein digitales,
kompromittierendes Bild an einen vermeintlichen Freund. Das Bild wurde weiter-
gereicht und trotz mehrerer Schulwechsel wurde sie es nicht mehr los. In einer 20-
minütigen Videobotschaft, welche auf „flash cards“ vorgetragen wurde, verabschie-
dete sie sich von der Welt. Sie wurde ein Opfer von dem was wir heute als „Cyber-
mobbing“ bezeichnen. Die Politiker reagierten hilflos. Die Cybercommunity
reagierte für ein paar Tage mit neu verfassten Verhaltenskodices. Man stellt fest, dass
sich der Staat in gewissen Situationen sehr wohl im Netz zu behaupten weiß und
sich wenn notwendig auch den Zugang zu den Daten verschaffen kann. Es gibt aber
Bereiche, wo der Staat weder das notwendige Engagement noch den Mut zeigt,
Recht zu sprechen um klar rechtswidrige oder verleumderische Inhalte vom Netz
nehmen zu lassen.
Lassen Sie mich mit diesen Worten schließen. Die Kommunikationstechnolo-
gien werden uns noch viele neue Möglichkeiten eröffnen, welche weit über unser
momentanes Vorstellungsvermögen hinausgehen. Die großen Fragen lauten dann:
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nicht nur fremde Regierungen interessiert. Oftmals ist es die eigene Regierung, wel-
che Schlupflöcher öffnet, damit sie selber nach Verdächtigem suchen kann. Wenn die
Architektur der Datenknoten es beispielsweise heute erlaubt, dass in Europa sämtli-
che Datenknoten online fernüberwacht werden können, dann geht das direkt auf
europäische Regierungsentscheide zurück, welche von den Telekommunikationsfir-
men umgesetzt wurden. Man wollte ja online Zugriff auf alle Daten haben. Wenn
aber Regierungen einmal grundsätzlich Zugriff auf Datenleitungen haben, dann
muss man damit rechnen, dass irgendwann nicht mehr nur die Bankdaten jedes Bür-
gers abgerufen werden, sondern dass man auch auf andere Daten zurückgreifen wird.
Mehr noch, wenn die eigene Regierung die Türen für den Zugriff auf die Daten
öffnet, dann muss man damit rechnen, dass auch jeder andere sich diesen Zugang
verschaffen kann. Das Interesse des eigenen Staates am Bürger und das Interesse von
Dritten an diesem Bürger stehen irgendwann den eigenen Interessen nach Privats-
phäre und Sicherheit entgegen. Dabei ist natürlich klar, dass der Staat für die
Bekämpfung von Verbrechen auch geeignete Mittel braucht. Es ist aber auch klar,
dass man dem Staat nicht alle Informationen geben kann, die er wünscht. Wir dür-
fen nicht so naiv sein und davon ausgehen, dass jeder vom Staat beschäftigte Mitar-
beiter mit den aus dem Netz gewonnenen Informationen sorgfältig umgeht — oder
diese nie missbraucht. Und noch weniger sollten wir davon ausgehen, dass der Staat
selber diese Informationen nie missbrauchen wird. In diesem Zusammenhang ist
auch das Aufkommen der Piratenpartei interessant. Es ist eine Partei, deren Expo-
nenten mit der digitalen Datenrevolution aufgewachsen sind. Es ist eine Partei, deren
einziges verbindendes Ideal die Forderung nach der „Freiheit im Netz“ zu sein
scheint. Mit Erstaunen stellt man fest, dass es nun Politiker gibt, welche nicht mehr
wegen einer sozialen, wirtschaftlichen oder anders gearteten ideellen Ausrichtung
gewählt werden, sondern nur deshalb, weil sie sich dafür stark machen, im Netz nach
Belieben walten, kopieren und schalten zu können. Das stimmt nachdenklich. Es
zeigt, welchen Stellenwert das Internet heute hat. Der Fall der 15-jährigen Amanda
Todd aus Kanada zeigt auf tragische Weise, wie gerade junge Menschen mit dieser
neuen Freiheit nicht umgehen können. Als 12-jährige sandte Amanda ein digitales,
kompromittierendes Bild an einen vermeintlichen Freund. Das Bild wurde weiter-
gereicht und trotz mehrerer Schulwechsel wurde sie es nicht mehr los. In einer 20-
minütigen Videobotschaft, welche auf „flash cards“ vorgetragen wurde, verabschie-
dete sie sich von der Welt. Sie wurde ein Opfer von dem was wir heute als „Cyber-
mobbing“ bezeichnen. Die Politiker reagierten hilflos. Die Cybercommunity
reagierte für ein paar Tage mit neu verfassten Verhaltenskodices. Man stellt fest, dass
sich der Staat in gewissen Situationen sehr wohl im Netz zu behaupten weiß und
sich wenn notwendig auch den Zugang zu den Daten verschaffen kann. Es gibt aber
Bereiche, wo der Staat weder das notwendige Engagement noch den Mut zeigt,
Recht zu sprechen um klar rechtswidrige oder verleumderische Inhalte vom Netz
nehmen zu lassen.
Lassen Sie mich mit diesen Worten schließen. Die Kommunikationstechnolo-
gien werden uns noch viele neue Möglichkeiten eröffnen, welche weit über unser
momentanes Vorstellungsvermögen hinausgehen. Die großen Fragen lauten dann: