Die Preisträger
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auf eine gelungene Kommunikation hinzuwirken und an dieser mitzuwirken. Der
Erklärende muss versuchen, sich möglichst unmissverständlich auszudrücken, und
den Empfänger trifft die Obliegenheit, die Erklärung möglichst verständig auszule-
gen. Erst wenn der Erklärende die ihm obliegende Sorgfalt nicht gewahrt hat und
der Empfänger trotz Wahrung seiner Auslegungssorgfalt das Missverständnis nicht
beheben kann, gilt die Erklärung mit dem Inhalt, den der Empfänger ihr beilegt.
Unter diesen Voraussetzungen kann der Erklärende an eine Erklärung gebunden
werden, die er innerlich nicht gewollt hat. Die Arbeit zeigt auf, dass dieses Ergebnis
nicht nur positivrechtlich fundiert und ökonomisch effizient, sondern auch unter
praktisch-philosophischen Aspekten gerechtfertigt ist: Die negative Freiheit des
Erklärenden, grundsätzlich nur an das gebunden zu sein, was er innerlich will, wird
mit der positiven Freiheit des Empfängers, auf das Ergebnis einer sorgfältigen Ausle-
gung vertrauen zu können, versöhnt. Dazu wird die praktische Philosophie Imma-
nuel Kants in zweifacher Weise fruchtbar gemacht: Erstens liefert sie unter anderem
durch das Kriterium der Verallgemeinerbarkeit einen normativen Maßstab, an dem
sich jedes rechtsgeschäftliche Modell messen lassen muss. Zweitens wird herausgear-
beitet, dass eben die kantische Philosophie auch die intellektuelle Vorlage war,
anhand derer Friedrich Carl von Savigny Mitte des 19. Jahrhunderts die Theorie des
Rechtsgeschäfts begründete. In dem kommunikationsobliegenheitsgeprägten
Rechtsgeschäft wird somit der Gegensatz zwischen der Freiheit des Erklärenden
einerseits und deijenigen des Empfängers andererseits aufgehoben sowie damit
zugleich auf seinen eigentlichen ideengeschichtlichen Ursprung zurückgeführt.
Missverständnisse treten jedoch nicht lediglich bei Vertragsschlüssen auf, son-
dern auch bei der Erfüllung von Forderungen. Als plakatives Beispiel mag die
Banküberweisung dienen: Fehlerhafte Banküberweisungen, bei denen die Bank etwa
versehentlich einen widerrufenen Auftrag ausführt oder zu viel bzw. an den falschen
Empfänger überweist, beschäftigen seit Jahrzehnten die Gerichte. Die entscheidende
Frage ist hierbei immer, ob die Bank die Zahlung direkt von dem Empfänger
zurückfordern kann (direkte Abwicklung) oder ob sie sich insoweit an ihren Kun-
den halten darf, der sich dann seinerseits mit dem Empfänger auseinanderzusetzen
und damit dessen Insolvenzrisiko zu übernehmen hat (Abwicklung über Eck). Hier-
zu ist eine Flut höchstrichterlicher Entscheidungen ergangen, die bislang kaum
systematisiert und damit Quelle von wirtschaftsschädlicher Rechtsunsicherheit sind.
Die vorgelegte Arbeit ordnet dieses Rechtsgebiet, indem sie die fehlerhafte Bank-
überweisung als kommunikatives Missverständnis erkennt: Wenn der Empfänger
nach sorgfältiger Auslegung die erfolgte Zahlung als Leistung im Auftrag des Kun-
den verstehen darf, muss solange über Eck abgewickelt werden wie der Kunde seine
Kommunikationssorgfalt gegenüber dem Empfänger nicht eingehalten hat. Füllt der
Kunde also etwa den Uberweisungsträger versehentlich falsch aus, bleibt das Konto
des Kunden belastet, der bei dieser Abwicklung über Eck das Insolvenzrisiko des
Empfängers zu tragen hat. Führt hingegen beispielsweise ein interner Abwicklungs-
fehler der Bank, der vom Kunden nicht zu vermeiden oder vorherzusehen war, zur
Fehlüberweisung, kann der Kunde von seiner Bank die Rückbuchung des Uber-
weisungsbetrags verlangen und sie auf die direkte Abwicklung verweisen. In diesem
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auf eine gelungene Kommunikation hinzuwirken und an dieser mitzuwirken. Der
Erklärende muss versuchen, sich möglichst unmissverständlich auszudrücken, und
den Empfänger trifft die Obliegenheit, die Erklärung möglichst verständig auszule-
gen. Erst wenn der Erklärende die ihm obliegende Sorgfalt nicht gewahrt hat und
der Empfänger trotz Wahrung seiner Auslegungssorgfalt das Missverständnis nicht
beheben kann, gilt die Erklärung mit dem Inhalt, den der Empfänger ihr beilegt.
Unter diesen Voraussetzungen kann der Erklärende an eine Erklärung gebunden
werden, die er innerlich nicht gewollt hat. Die Arbeit zeigt auf, dass dieses Ergebnis
nicht nur positivrechtlich fundiert und ökonomisch effizient, sondern auch unter
praktisch-philosophischen Aspekten gerechtfertigt ist: Die negative Freiheit des
Erklärenden, grundsätzlich nur an das gebunden zu sein, was er innerlich will, wird
mit der positiven Freiheit des Empfängers, auf das Ergebnis einer sorgfältigen Ausle-
gung vertrauen zu können, versöhnt. Dazu wird die praktische Philosophie Imma-
nuel Kants in zweifacher Weise fruchtbar gemacht: Erstens liefert sie unter anderem
durch das Kriterium der Verallgemeinerbarkeit einen normativen Maßstab, an dem
sich jedes rechtsgeschäftliche Modell messen lassen muss. Zweitens wird herausgear-
beitet, dass eben die kantische Philosophie auch die intellektuelle Vorlage war,
anhand derer Friedrich Carl von Savigny Mitte des 19. Jahrhunderts die Theorie des
Rechtsgeschäfts begründete. In dem kommunikationsobliegenheitsgeprägten
Rechtsgeschäft wird somit der Gegensatz zwischen der Freiheit des Erklärenden
einerseits und deijenigen des Empfängers andererseits aufgehoben sowie damit
zugleich auf seinen eigentlichen ideengeschichtlichen Ursprung zurückgeführt.
Missverständnisse treten jedoch nicht lediglich bei Vertragsschlüssen auf, son-
dern auch bei der Erfüllung von Forderungen. Als plakatives Beispiel mag die
Banküberweisung dienen: Fehlerhafte Banküberweisungen, bei denen die Bank etwa
versehentlich einen widerrufenen Auftrag ausführt oder zu viel bzw. an den falschen
Empfänger überweist, beschäftigen seit Jahrzehnten die Gerichte. Die entscheidende
Frage ist hierbei immer, ob die Bank die Zahlung direkt von dem Empfänger
zurückfordern kann (direkte Abwicklung) oder ob sie sich insoweit an ihren Kun-
den halten darf, der sich dann seinerseits mit dem Empfänger auseinanderzusetzen
und damit dessen Insolvenzrisiko zu übernehmen hat (Abwicklung über Eck). Hier-
zu ist eine Flut höchstrichterlicher Entscheidungen ergangen, die bislang kaum
systematisiert und damit Quelle von wirtschaftsschädlicher Rechtsunsicherheit sind.
Die vorgelegte Arbeit ordnet dieses Rechtsgebiet, indem sie die fehlerhafte Bank-
überweisung als kommunikatives Missverständnis erkennt: Wenn der Empfänger
nach sorgfältiger Auslegung die erfolgte Zahlung als Leistung im Auftrag des Kun-
den verstehen darf, muss solange über Eck abgewickelt werden wie der Kunde seine
Kommunikationssorgfalt gegenüber dem Empfänger nicht eingehalten hat. Füllt der
Kunde also etwa den Uberweisungsträger versehentlich falsch aus, bleibt das Konto
des Kunden belastet, der bei dieser Abwicklung über Eck das Insolvenzrisiko des
Empfängers zu tragen hat. Führt hingegen beispielsweise ein interner Abwicklungs-
fehler der Bank, der vom Kunden nicht zu vermeiden oder vorherzusehen war, zur
Fehlüberweisung, kann der Kunde von seiner Bank die Rückbuchung des Uber-
weisungsbetrags verlangen und sie auf die direkte Abwicklung verweisen. In diesem