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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2014 — 2015

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A. Das akademische Jahr 2014
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II. Wissenschaftliche Vorträge
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Casemir, Kirstin: Linsengericht. Bierbergen und Elend, Deutsche Ortsnamen und ihre Entstehung: Mitarbeitervortrag
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https://doi.org/10.11588/diglit.55654#0096
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III. Veranstaltungen

nen Völkern festzustellen. Weiterhin können Namen Auskünfte geben über sozia-
le oder rechtliche Verhältnisse, Vorstellungen der Bevölkerung oder die historische
Fauna oder Flora. Aber auch „negative“ Ergebnisse lassen sich durch Ortsnamen
ermitteln. So stellte die Einführung des Christentums einen starken Einschnitt dar
und man sollte erwarten, dass dieses seinen Niederschlag in den Ortsnamen fand,
zumal Kirchen und Klöster großen Landbesitz hatten und an Rodungen sowie
Neusiedlungen erheblichen Anteil hatten. Für Nordwestdeutschland ist insgesamt
von ca. 40.000 Ortsnamen auszugehen. Nur etwas mehr als 300 von diesen enthal-
ten nach derzeitigem Forschungsstand Bezeichnungen für geistliche Bauten oder
Ämter. Viele dieser Ortschaften sind recht junge Namen auf -rode oder -hagen
und viele von ihnen wurden später wieder aufgegeben, erwiesen sich also als Fehl-
siedlungen. Deutlich weniger Ortsnamen (etwas mehr als 100 Namen) enthalten
Heiligennamen wie Maria, was einem Anteil von 0,25 % im Namenbestand ent-
spricht. Hierbei handelt es sich häufig um Klostergründungen. Das zeigt, dass ein
gesellschaftlich relevanter Einschnitt sich nicht zwangsläufig in Namen spiegeln
muss bzw. andere Motive wichtiger waren.
Abschließend seien die drei im Titel genannten Namen erklärt. Bier gibt es
in Bierbergen selbstverständlich nicht oder war zumindest nicht namengebend.
Vielmehr gab es an der Stelle einen Birnbaum oder mehrere Birnbäume. Die Bir-
ne lautete älter bire, d. h. enthielt kein -n-. Dieses drang erst durch die flektierten
Formen allmählich ein, so dass die heutige Form Birne entstand. Für Elend be-
stehen zwei Möglichkeiten: entweder ist eine Grenze gemeint - elilenti bedeu-
tet das „fremde Land“. In jüngeren Namen kann auch das schlechte oder schwer
zu bearbeitende Land gemeint sein, was angesichts der Lage Elends im Hochharz
etwas überzeugender ist. Der Name Linsengericht ist erst jung. Der Gemeinde-
name entstand 1970 im Zuge der Gemeindereform. Älteste Belege für das Gebiet
als Linsengericht finden sich erst aus dem 19. Jahrhundert. Dabei reflektiert das
Element gericht durchaus hochmittelalterliche Rechtsformen, denn die fünf zu
Linsengericht gehörenden Orte bildeten gemeinsam einen Gerichtsbezirk. Für das
Vorderelement ist ein Zusammenhang mit dem dortigen großflächigen Linsenan-
bau zu sehen.
Dr. Kirstin Casemir ist Leiterin der Forschungsstelle „Ortsnamen zwischen Rhein und Elbe -
Onomastik im europäischen Raum“ der Göttinger Akademie der Wissenschaften.

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