12. Wissen(schaft), Zahl und Macht (WIN-Programm)
her. Damit werden Sachverhalte einerseits bezifferbar und vergleichbar gemacht,
andererseits aber auch vereinfacht. Allein die Auswahl des zu messenden Attri-
buts ist damit schon eine Weichenstellung für das spätere Ergebnis. Es stellt sich
also nicht nur die Frage, anhand welcher Kategorien und Kriterien Kartographen,
Reisende und andere Autoren ihre Welt vermaßen, zählten und gliederten. Es
soll auch gefragt werden, inwiefern derartige Angaben aufgrund ihrer behaup-
teten Objektivität zu Argumenten wurden. Denn gerade wegen ihrer Aura der
wissenschaftlichen Objektivität haben und hatten Zahlen und Messergebnisse
das Potenzial, subjektive Eindrücke in ihrer Glaubwürdigkeit zu untermauern.
Heinrich von Segusio tastete mit seinem Versuch, die Größenverhältnisse von
Sonne und Mond zu berechnen, den inhaltlichen Kern des Gleichnisses letztlich
nicht an, sondern wollte dessen Argumentcharakter durch genaue astronomische
Berechnungen objektivieren.
12. Wissen (schäft), Zahl und Macht
Kollegiat: Dr. Markus J. Prutsch1
Mitarbeiter: Lars Lehmann, M. A.
In Zusammenarbeit mit Dr. Georg von Graevenitz, Dr. Kathrine von Graevenitz,
Dr. Kelly L. Grotke, Dr. Stephen W Hastings-King
1 Europäisches Parlament, Brüssel/Universität Heidelberg
Das Forschungsprojekt thematisiert den Stand der „Verwissenschaftlichung“ des
zeitgenössischen Politikbetriebes im Allgemeinen und die Rolle von Quantifizie-
rung im Besonderen, wobei das Augenmerk speziell auf europäische Bildungs-
politik gerichtet ist. Im Ergebnis sollen ein Beitrag zum besseren Verständnis des
komplexen Verhältnisses von Wissenschaft und Politik geleistet sowie Anregungen
zu dessen angemessener Ausgestaltung in der Zukunft gegeben werden.
Der Siegeszug gesellschaftlicher Rationalisierung machte in den vergangenen
Jahrzehnten auch vor der Politik nicht Halt und führte gerade in demokratischen
Ordnungen zu einer fortschreitenden „Verwissenschaftlichung“ des politischen
Betriebs. Angesichts der wachsenden Komplexität und Diversifizierung moder-
ner Politik greifen Entscheidungsträger in zunehmendem Maße auf die Dienste
wissenschaftlicher Politikberatung zurück, wodurch für den politischen Prozess
charakteristische Werteabwägungen durch eine rationale Komponente ergänzt und
zusätzlich legitimiert werden können. Diese zusätzliche Legitimation resultiert aus
dem Anspruch, Entscheidungen nicht allein aus Überzeugungen heraus, sondern
„nach bestem Wissensstand“ und auf Basis rational-wissenschaftlicher Erkenntnis
zu treffen.
281
her. Damit werden Sachverhalte einerseits bezifferbar und vergleichbar gemacht,
andererseits aber auch vereinfacht. Allein die Auswahl des zu messenden Attri-
buts ist damit schon eine Weichenstellung für das spätere Ergebnis. Es stellt sich
also nicht nur die Frage, anhand welcher Kategorien und Kriterien Kartographen,
Reisende und andere Autoren ihre Welt vermaßen, zählten und gliederten. Es
soll auch gefragt werden, inwiefern derartige Angaben aufgrund ihrer behaup-
teten Objektivität zu Argumenten wurden. Denn gerade wegen ihrer Aura der
wissenschaftlichen Objektivität haben und hatten Zahlen und Messergebnisse
das Potenzial, subjektive Eindrücke in ihrer Glaubwürdigkeit zu untermauern.
Heinrich von Segusio tastete mit seinem Versuch, die Größenverhältnisse von
Sonne und Mond zu berechnen, den inhaltlichen Kern des Gleichnisses letztlich
nicht an, sondern wollte dessen Argumentcharakter durch genaue astronomische
Berechnungen objektivieren.
12. Wissen (schäft), Zahl und Macht
Kollegiat: Dr. Markus J. Prutsch1
Mitarbeiter: Lars Lehmann, M. A.
In Zusammenarbeit mit Dr. Georg von Graevenitz, Dr. Kathrine von Graevenitz,
Dr. Kelly L. Grotke, Dr. Stephen W Hastings-King
1 Europäisches Parlament, Brüssel/Universität Heidelberg
Das Forschungsprojekt thematisiert den Stand der „Verwissenschaftlichung“ des
zeitgenössischen Politikbetriebes im Allgemeinen und die Rolle von Quantifizie-
rung im Besonderen, wobei das Augenmerk speziell auf europäische Bildungs-
politik gerichtet ist. Im Ergebnis sollen ein Beitrag zum besseren Verständnis des
komplexen Verhältnisses von Wissenschaft und Politik geleistet sowie Anregungen
zu dessen angemessener Ausgestaltung in der Zukunft gegeben werden.
Der Siegeszug gesellschaftlicher Rationalisierung machte in den vergangenen
Jahrzehnten auch vor der Politik nicht Halt und führte gerade in demokratischen
Ordnungen zu einer fortschreitenden „Verwissenschaftlichung“ des politischen
Betriebs. Angesichts der wachsenden Komplexität und Diversifizierung moder-
ner Politik greifen Entscheidungsträger in zunehmendem Maße auf die Dienste
wissenschaftlicher Politikberatung zurück, wodurch für den politischen Prozess
charakteristische Werteabwägungen durch eine rationale Komponente ergänzt und
zusätzlich legitimiert werden können. Diese zusätzliche Legitimation resultiert aus
dem Anspruch, Entscheidungen nicht allein aus Überzeugungen heraus, sondern
„nach bestem Wissensstand“ und auf Basis rational-wissenschaftlicher Erkenntnis
zu treffen.
281