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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2015 — 2016

DOI Kapitel:
A. Das akademische Jahr 2015
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III. Veranstaltungen
DOI Artikel:
Zeilinger, Anton: Verschränkte Photonen: von Einsteins Kritik an der Quantenphysik
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https://doi.org/10.11588/diglit.55653#0142
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III. Veranstaltungen

Auf Basis der drei eigentlich recht primitiven Aussagen, die wir gerade getroffen
haben, erhalten wir die Bell’sche Ungleichung für Zwillingspaare:

Zahl der
großen Zwillingspaare
mit blauen Augen

<
Zahl der
großen Zwillingspaare
+
und schwarzen Haaren

Zahl der
blonden Zwillingspaar
mit blauen Augen

Das Symbol < bedeutet, dass die linke Seite kleiner oder höchstens gleich groß
ist wie die Summe der rechten Seite. Ehe wir auf die Bedeutung der Bell’schen
Ungleichung eingehen, überlegen wir uns kurz noch einmal, was wir bisher
gemacht haben: Wir schauten uns identische Zwillinge an, und wir betrach-
teten nur drei verschiedene Eigenschaften: Größe, Haarfarbe und Augenfar-
be; wir haben uns auf jeweils zwei Varianten dieser Eigenschaften beschränkt:
groß - klein, blond - schwarz, blau - braun. Alle anderen Zwillinge haben wir
ausgeschlossen. Wir haben uns nicht alle möglichen Zwillinge angesehen, son-
dern nur die mit diesen spezifischen Eigenschaften, also keine anderen Augen-
oder Haarfarben.
Wir sind nun durch ganz einfache Überlegungen zu der Bell’schen Unglei-
chung gekommen. Dass diese richtig ist, sehen wir sofort. Wir brauchen uns nur
zu überlegen, dass jede der drei Zahlen in der Bell’schen Ungleichung nach den
darüber stehenden Beziehungen aus zwei anderen Zahlen zusammengesetzt ist.
Die beiden Zahlen, aus denen die (Zahl der großen Zwillingspaare mit blauen
Augen) zusammengesetzt ist, kommen auch auf der rechten Seite vor, nämlich
die (Zahl der großen Zwillingspaare mit blauen Augen und schwarzen Haaren)
und die (Zahl der großen Zwillingspaare mit blauen Augen und blonden Haaren).
Zusätzlich gibt es dann auf der rechten Seite noch die (Zahl der großen Zwil-
lingspaare mit braunen Augen und schwarzen Haaren) und die (Zahl der kleinen
Zwillingspaare mit blauen Augen und blonden Haaren). Nur wenn diese letzten
beiden jeweils Null sind, wenn es also keine solchen Zwillinge gibt, dann gilt das
Gleichheitszeichen in der Bell’schen Ungleichung. Sonst muss die linke Seite klei-
ner sein als die rechte.
So unschuldig die eben gefunden Aussage aussieht, so wichtig ist sie für die
moderne Physik. Die Bell’sche Ungleichung gilt für alle Paare von identischen
Objekten. Alles, was wir benötigen, um die Bell’sche Ungleichung in einer be-
stimmten Situation anzuwenden, ist eine Beschränkung auf zweiwertige Eigen-
schaften - Eigenschaften, die nur zwei Möglichkeiten zulassen. Im täglichen Leben
wird die Bell’sche Ungleichung immer richtig sein.
Übersetzen wir nun die Bell’sche Ungleichung in unser oben diskutiertes
Experiment mit den Teilchenpaaren. Auch dort haben wir drei Eigenschaften, die
wir beobachten, x, y oder z, und jeweils zwei Resultate, + oder -, die perfekt mit-
einander korreliert sind, wenn auf beiden Seiten, A oder B, dieselbe Eigenschaft
gemessen wird. Wir brauchen demnach nur die Sprache, die wir bei den Zwillin-

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