Ahmet Cavuldak
Graf Kielmansegg schrieb unter Kogons Obhut seine Habilitationsschrift
über Volkssouveränität. Das Thema hat er wohl gegen einen Vorschlag Kogons
durchsetzen können, weil er genau wusste, was er wollte. Vor allem diese „Un-
tersuchung der Bedingungen demokratischer Legitimität“, wie der Untertitel der
1977 erschienen Studie dann lautete, begründet bis heute den außerordentlichen
Rang des Demokratietheoretikers Graf Kielmansegg. Sie markiert gewissermaßen
die Geburtsstunde des Politikwissenschaftlers, ohne dass der Historiker in ihm
den Platz geräumt hätte.
In dem ersten historischen Kapitel wird die Entwicklung der Volkssouveräni-
tätsidee von den Anfängen der mittelalterlichen politischen Philosophie bis zum
Triumph in der Französischen Revolution minutiös rekonstruiert. In dem zwei-
ten systematischen Kapitel setzt sich Graf Kielmansegg mit der zeitgenössischen
Demokratietheorie, vor allem linker Provenienz, auseinander, um den Geltungs-
anspruch der Völksouveränitätsidee zu prüfen. Ihren Vertretern - wie etwa Haber-
mas, Macpherson, Luhmann - wirft er massive theoretische Schwächen vor, die
bezeichnendeiweise oft genug stilistisch greifbar seien; ihre Argumentation sei bei
aller Kompliziertheit der Sprache von „deklamatorischer Wiederholung“ und einer
„extremen Formelhaftigkeit“ geprägt.13
Graf Kielmansegg kommt zu dem Ergebnis, das Prinzip der Völkssouveränität
sei untauglich, politische Herrschaft in der Demokratie zu begründen; es könne
allein „kein tragfähiges normatives Fundament für ein freiheitliches Gemeinwe-
sen“ abgeben.14 Historisch sei die Volkssouveränität als Kampfinstrument gegen
die absolute Monarchie eingesetzt worden, sie habe denn auch ihre Stärken bis
heute vor allem in der Kritik.15 Die Volkssouveränitätsidee orientiere sich gewis-
sermaßen an dem Vorbild des personalen Kollektivsubjekts des Monarchen. Die
Redeweise vom Volk als Kollektivsubjekt impliziere unausweichlich „organizis-
tische Vorstellungen“, die auf Kosten der Freiheit des Individuums gingen. Wer
aber vom freien Individuum ausgehe, wie es die Demokratieprämisse doch ver-
lange, „für den sei aber nicht Homogenität gegeben, sondern Vielfalt, Fülle der
Individualitäten, Pluralität der Meinungen und Interessen, die die Idee des einen
Souveräns nicht zu fassen“ vermöge.16 Politische Beteiligung könne unter keinen
Umständen mit Selbstbestimmung identisch sein, weil, wer an kollektiven Ent-
scheidungsprozessen teilnimmt, nicht primär über sich selbst, sondern über Dritte
verfüge - das ist der gewichtige systematische Einwand Graf Kielmanseggs gegen
den Legitimitätsanspruch der Volkssouveränität.17 Wer aber über andere zu verfü-
13 Graf Kielmansegg, Peter, 1977: Volkssouveränität. Eine Untersuchung der Bedingungen de-
mokratischer Legitimität, Stuttgart, Klett, S. 195.
14 Ebd., S. 255.
15 Ebd., S. 248.
16 Ebd., S. 243.
17 Ebd., S. 235.
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Graf Kielmansegg schrieb unter Kogons Obhut seine Habilitationsschrift
über Volkssouveränität. Das Thema hat er wohl gegen einen Vorschlag Kogons
durchsetzen können, weil er genau wusste, was er wollte. Vor allem diese „Un-
tersuchung der Bedingungen demokratischer Legitimität“, wie der Untertitel der
1977 erschienen Studie dann lautete, begründet bis heute den außerordentlichen
Rang des Demokratietheoretikers Graf Kielmansegg. Sie markiert gewissermaßen
die Geburtsstunde des Politikwissenschaftlers, ohne dass der Historiker in ihm
den Platz geräumt hätte.
In dem ersten historischen Kapitel wird die Entwicklung der Volkssouveräni-
tätsidee von den Anfängen der mittelalterlichen politischen Philosophie bis zum
Triumph in der Französischen Revolution minutiös rekonstruiert. In dem zwei-
ten systematischen Kapitel setzt sich Graf Kielmansegg mit der zeitgenössischen
Demokratietheorie, vor allem linker Provenienz, auseinander, um den Geltungs-
anspruch der Völksouveränitätsidee zu prüfen. Ihren Vertretern - wie etwa Haber-
mas, Macpherson, Luhmann - wirft er massive theoretische Schwächen vor, die
bezeichnendeiweise oft genug stilistisch greifbar seien; ihre Argumentation sei bei
aller Kompliziertheit der Sprache von „deklamatorischer Wiederholung“ und einer
„extremen Formelhaftigkeit“ geprägt.13
Graf Kielmansegg kommt zu dem Ergebnis, das Prinzip der Völkssouveränität
sei untauglich, politische Herrschaft in der Demokratie zu begründen; es könne
allein „kein tragfähiges normatives Fundament für ein freiheitliches Gemeinwe-
sen“ abgeben.14 Historisch sei die Volkssouveränität als Kampfinstrument gegen
die absolute Monarchie eingesetzt worden, sie habe denn auch ihre Stärken bis
heute vor allem in der Kritik.15 Die Volkssouveränitätsidee orientiere sich gewis-
sermaßen an dem Vorbild des personalen Kollektivsubjekts des Monarchen. Die
Redeweise vom Volk als Kollektivsubjekt impliziere unausweichlich „organizis-
tische Vorstellungen“, die auf Kosten der Freiheit des Individuums gingen. Wer
aber vom freien Individuum ausgehe, wie es die Demokratieprämisse doch ver-
lange, „für den sei aber nicht Homogenität gegeben, sondern Vielfalt, Fülle der
Individualitäten, Pluralität der Meinungen und Interessen, die die Idee des einen
Souveräns nicht zu fassen“ vermöge.16 Politische Beteiligung könne unter keinen
Umständen mit Selbstbestimmung identisch sein, weil, wer an kollektiven Ent-
scheidungsprozessen teilnimmt, nicht primär über sich selbst, sondern über Dritte
verfüge - das ist der gewichtige systematische Einwand Graf Kielmanseggs gegen
den Legitimitätsanspruch der Volkssouveränität.17 Wer aber über andere zu verfü-
13 Graf Kielmansegg, Peter, 1977: Volkssouveränität. Eine Untersuchung der Bedingungen de-
mokratischer Legitimität, Stuttgart, Klett, S. 195.
14 Ebd., S. 255.
15 Ebd., S. 248.
16 Ebd., S. 243.
17 Ebd., S. 235.
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