Auswärtige Sitzung in Stuttgart (Joachim Spatz)
Fortsätze (Lamellipodien) in Zugrichtung bilden. Die hintere Zelle nimmt die
Verfolgung auf und die Richtungsinformation wird als mechanische Spannung
im Verfolgerfeld über bis zu zehn Zellen hinweg weitergegeben. Diese Distanz
entspricht zugleich dem seitlichen Abstand zwischen neu entstehenden Anfüh-
rerzellen am Wundrand. Aber wie, wann und wo wird eigentlich bestimmt, wer
Anführer wird?
Was macht eine Zelle zum Anführer?
Hierfür untersuchten wir gezielt die Zeit-
räume vor und während der Entstehung
neuer Führungszellen: nach Entfernen der
Barriere und bevor auf gerade entstandenen
zellulären Ausbuchtungen wieder neue An-
führer hervortreten. Als wir die Traktion der
Zellen während dieser Phasen verglichen,
zeigte sich Erstaunliches. Lange bevor An-
führer loswanderten, kam es hinter ihnen
zu kurzzeitigen Steigerungen der Zugkräfte,
sowohl gegenüber der Unterlage als auch
zwischen Nachbarzellen. Es scheint, dass
die hinteren Zellen den zukünftigen Anfüh-
rer regelrecht anstoßen, eine Vorläuferrolle
anzunehmen. Zusätzlich bemerkten wir,
dass die Zellen hinter zukünftigen Anfüh-
rern weniger dicht zusammengedrängt und
dadurch mobiler als andere Zellen im Kol-
lektiv sind. Unsere Erkenntnisse zur An-
führerbestimmung haben wir vor kurzem
zur Publikation eingereicht.
RhoA, Rac-GDP, Rac-GTP, Merlin
Abb. 2: Molekularer Mechanismus zur Regu-
lierung von Hierarchien in Zellkollektiven
Die Forschungsergebnisse haben weitreichende Bedeutung für das Verständ-
nis der Wundheilung, der Embryonalentwicklung und der Ausbreitung von Krebs.
Nachdem wir den mechanobiologischen Mechanismus hinter der kollektiven
Zellmigration aufgeklärt haben, möchten wir dieses Wissen für therapeutische
Ansätze in der Medizin, wie zum Beispiel spezielle Wundpflaster, nutzen und auf
künstliche Systeme übertragen.
Literatur
Das, T.; Safferling, K.; Rausch, S.; Grabe, N.; Boehm, H.; Spatz, J., A molecular mecha-
notransduction pathway regulates collective migration of epithelial cells Nature Gell Bio-
logy 17(3), 276-87 (2015), doi: 10.1038/ncb3115
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Fortsätze (Lamellipodien) in Zugrichtung bilden. Die hintere Zelle nimmt die
Verfolgung auf und die Richtungsinformation wird als mechanische Spannung
im Verfolgerfeld über bis zu zehn Zellen hinweg weitergegeben. Diese Distanz
entspricht zugleich dem seitlichen Abstand zwischen neu entstehenden Anfüh-
rerzellen am Wundrand. Aber wie, wann und wo wird eigentlich bestimmt, wer
Anführer wird?
Was macht eine Zelle zum Anführer?
Hierfür untersuchten wir gezielt die Zeit-
räume vor und während der Entstehung
neuer Führungszellen: nach Entfernen der
Barriere und bevor auf gerade entstandenen
zellulären Ausbuchtungen wieder neue An-
führer hervortreten. Als wir die Traktion der
Zellen während dieser Phasen verglichen,
zeigte sich Erstaunliches. Lange bevor An-
führer loswanderten, kam es hinter ihnen
zu kurzzeitigen Steigerungen der Zugkräfte,
sowohl gegenüber der Unterlage als auch
zwischen Nachbarzellen. Es scheint, dass
die hinteren Zellen den zukünftigen Anfüh-
rer regelrecht anstoßen, eine Vorläuferrolle
anzunehmen. Zusätzlich bemerkten wir,
dass die Zellen hinter zukünftigen Anfüh-
rern weniger dicht zusammengedrängt und
dadurch mobiler als andere Zellen im Kol-
lektiv sind. Unsere Erkenntnisse zur An-
führerbestimmung haben wir vor kurzem
zur Publikation eingereicht.
RhoA, Rac-GDP, Rac-GTP, Merlin
Abb. 2: Molekularer Mechanismus zur Regu-
lierung von Hierarchien in Zellkollektiven
Die Forschungsergebnisse haben weitreichende Bedeutung für das Verständ-
nis der Wundheilung, der Embryonalentwicklung und der Ausbreitung von Krebs.
Nachdem wir den mechanobiologischen Mechanismus hinter der kollektiven
Zellmigration aufgeklärt haben, möchten wir dieses Wissen für therapeutische
Ansätze in der Medizin, wie zum Beispiel spezielle Wundpflaster, nutzen und auf
künstliche Systeme übertragen.
Literatur
Das, T.; Safferling, K.; Rausch, S.; Grabe, N.; Boehm, H.; Spatz, J., A molecular mecha-
notransduction pathway regulates collective migration of epithelial cells Nature Gell Bio-
logy 17(3), 276-87 (2015), doi: 10.1038/ncb3115
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