Nachruf auf Harald Hauptmann
noch zwei weitere Ausgrabungen in der durch den Staudamm bedrohten Region
durch. Die erste fand 1981 und 1982 in Titri§ Höyük statt, war von eher kurzer
Dauer und führte zur teilweisen Ausgrabung eines frühbronzezeitlichen Gräber-
felds, das wertvolle Einblicke in die Bestattungssitten des 3. Jahrtausends v. Chr. in
dieser Region erbrachte. Die zweite Ausgrabung, die Hauptmann zwischen 1987
und 1991 in Nevah Qori vornahm, ist forschungsgeschichtlich von großer Be-
deutung, weil dort erstmalig die Erkenntnis gewonnen wurde, dass in jener Zone
des „Fruchtbaren Halbmondes“ der Frühabschnitt der Sesshaftwerdung während
des akeramischen Neolithikums (10. —8. Jahrtausend v. Chr.) nicht nur mit beein-
druckender Architektur, sondern auch mit einer atemberaubenden künstlerischen
Kreativität einherging, die sich in zahlreichen anthropomorphen und zoomorphen
Bildwerken in Form von steinernen Reliefs und Plastiken bemerkbar machte.
Im Jahre 1994 folgte Hauptmann dem Ruf auf die Stelle des Direktors der
Abteilung Istanbul des Deutschen Archäologischen Instituts, womit er an diejeni-
ge Institution zurückkehrte, in der er seine ersten beruflichen Erfahrungen nach
der Promotion gesammelt hatte. Der Universität Heidelberg blieb er fortan als
Honorarprofessor verbunden. In die Spanne seiner bis 2001 reichenden Dienstzeit
als Direktor der Abteilung Istanbul fällt der Beginn der Ausgrabung in Göbekli
Tepe bei $anhurfa, durch die das in Nevah Qori gewonnene Bild bestätigt und um
viele neue, faszinierende Aspekte von Großarchitektur, Figuralplastik und Reliefs
erweitert wurde. Es zeichnet Hauptmann aus, dass er zwar die Leitung der Aus-
grabung an jenem bis dahin noch weitgehend unberührten Ort übernahm, die
Durchführung und Auswertung der Ausgrabung jedoch Klaus Schmidt überließ,
der bei ihm in Heidelberg promoviert hatte und später die Ausgrabung auf dem
Göbekli Tepe als Grabungsleiter fortführte.
Nach Ende der Dienstzeit in Istanbul kehrte Hauptmann nach Heidelberg
zurück und widmete sich ganz der Forschungsstelle „Felsbilder und Inschriften
am Karakorum Highway“, deren Leitung er 1989 von Karl Jettmar übernommen
hatte und bis zum Auslaufen der Forschungsstelle im Jahre 2014 wahrnahm. Im
letzten Abschnitt seiner wissenschaftlichen Laufbahn hat Hauptmann damit einen
für ihn neuen Forschungsschwerpunkt in einem heute entlegen erscheinenden
Teil des nördlichen Pakistans erschlossen, dessen Menschen, Landschaften und
Kulturdenkmäler ihn nach eigenem Bekunden begeisterten, und er hat diesen
Schwerpunkt in zahlreichen Forschungskampagnen mit Leben erfüllt. Indem er
seine außerordentlichen Fähigkeiten in der Planung und Durchführung archäolo-
gischer Feldforschung in den Dienst dieses Projektes stellte, leistete er einen wich-
tigen Beitrag dazu, dass die Dokumentation und Publikation der Felsbilder und
Inschriften seitens der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Projekts den inter-
national höchsten Standards folgten. Entlang eines etwa 100 km langen Streifens
zu beiden Seiten des Indus konnten etwa 30.000 Petroglyphen und 5.000 Inschrif-
ten in mehr als 10 Schriftsystemen dokumentiert werden, die Menschen der vor-
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noch zwei weitere Ausgrabungen in der durch den Staudamm bedrohten Region
durch. Die erste fand 1981 und 1982 in Titri§ Höyük statt, war von eher kurzer
Dauer und führte zur teilweisen Ausgrabung eines frühbronzezeitlichen Gräber-
felds, das wertvolle Einblicke in die Bestattungssitten des 3. Jahrtausends v. Chr. in
dieser Region erbrachte. Die zweite Ausgrabung, die Hauptmann zwischen 1987
und 1991 in Nevah Qori vornahm, ist forschungsgeschichtlich von großer Be-
deutung, weil dort erstmalig die Erkenntnis gewonnen wurde, dass in jener Zone
des „Fruchtbaren Halbmondes“ der Frühabschnitt der Sesshaftwerdung während
des akeramischen Neolithikums (10. —8. Jahrtausend v. Chr.) nicht nur mit beein-
druckender Architektur, sondern auch mit einer atemberaubenden künstlerischen
Kreativität einherging, die sich in zahlreichen anthropomorphen und zoomorphen
Bildwerken in Form von steinernen Reliefs und Plastiken bemerkbar machte.
Im Jahre 1994 folgte Hauptmann dem Ruf auf die Stelle des Direktors der
Abteilung Istanbul des Deutschen Archäologischen Instituts, womit er an diejeni-
ge Institution zurückkehrte, in der er seine ersten beruflichen Erfahrungen nach
der Promotion gesammelt hatte. Der Universität Heidelberg blieb er fortan als
Honorarprofessor verbunden. In die Spanne seiner bis 2001 reichenden Dienstzeit
als Direktor der Abteilung Istanbul fällt der Beginn der Ausgrabung in Göbekli
Tepe bei $anhurfa, durch die das in Nevah Qori gewonnene Bild bestätigt und um
viele neue, faszinierende Aspekte von Großarchitektur, Figuralplastik und Reliefs
erweitert wurde. Es zeichnet Hauptmann aus, dass er zwar die Leitung der Aus-
grabung an jenem bis dahin noch weitgehend unberührten Ort übernahm, die
Durchführung und Auswertung der Ausgrabung jedoch Klaus Schmidt überließ,
der bei ihm in Heidelberg promoviert hatte und später die Ausgrabung auf dem
Göbekli Tepe als Grabungsleiter fortführte.
Nach Ende der Dienstzeit in Istanbul kehrte Hauptmann nach Heidelberg
zurück und widmete sich ganz der Forschungsstelle „Felsbilder und Inschriften
am Karakorum Highway“, deren Leitung er 1989 von Karl Jettmar übernommen
hatte und bis zum Auslaufen der Forschungsstelle im Jahre 2014 wahrnahm. Im
letzten Abschnitt seiner wissenschaftlichen Laufbahn hat Hauptmann damit einen
für ihn neuen Forschungsschwerpunkt in einem heute entlegen erscheinenden
Teil des nördlichen Pakistans erschlossen, dessen Menschen, Landschaften und
Kulturdenkmäler ihn nach eigenem Bekunden begeisterten, und er hat diesen
Schwerpunkt in zahlreichen Forschungskampagnen mit Leben erfüllt. Indem er
seine außerordentlichen Fähigkeiten in der Planung und Durchführung archäolo-
gischer Feldforschung in den Dienst dieses Projektes stellte, leistete er einen wich-
tigen Beitrag dazu, dass die Dokumentation und Publikation der Felsbilder und
Inschriften seitens der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Projekts den inter-
national höchsten Standards folgten. Entlang eines etwa 100 km langen Streifens
zu beiden Seiten des Indus konnten etwa 30.000 Petroglyphen und 5.000 Inschrif-
ten in mehr als 10 Schriftsystemen dokumentiert werden, die Menschen der vor-
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