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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2019 — 2020

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A. Das akademische Jahr 2019
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III. Veranstaltungen
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Sellner, Julian: Rechtswege – Urteilswirkungen. Deutsch-Ungarischer Verfassungsdialog: Internationale Konferenz am 10. Mai 2019
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https://doi.org/10.11588/diglit.55176#0110
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III. Veranstaltungen

zu vertreten. Da diese Vertretung jedoch durch Verwaltungsbinnenrecht bestimmt
werden könne, seien die Einflussmöglichkeiten der Exekutive auf die örtliche Zu-
ständigkeit erheblich.
Als weitere Beispiele führte er die örtliche Zuständigkeit in Kartell- und Ver-
gaberechtssachen sowie in allgemeinen Verwaltungssachen an. Insbesondere im
Strafprozess bewirke das Nebeneinander etlicher Gerichtsstände, dass die Staats-
anwaltschaft als Teil der Exekutive eine breite Auswahl zuständiger Gerichte habe,
an welchen sie eine konkrete Tat anklagen kann.
Die deutsche Zuständigkeitsordnung sei daher - so das Fazit des Referenten -
nicht in jeder Hinsicht resilient gegen Krisen.
Im Anschluss berichteten Dr. Eszter Bodnär (Dozentin an der Eötvös-
Loränd-Universität) und Dr. Georgina Naszladi (Gerichtssekretärin an der Kurie)
unter Moderation Prof. Dr. Ekkehart Reimers über Erfahrungen aus der ungari-
schen Gerichtspraxis. Dort aufgetretene Fragen betrafen Lösungen für die hohe
Arbeitsbelastung bestimmter Gerichte und die Bedingungen einer Umverteilung
von Fällen. Die Überlastung einzelner Gerichte sei zwar ein reales Problem, aber
eine Lösung muss verfassungsrechtlich unbedenklich sein und im Einklang mit
den völkerrechtlichen Anforderungen, vor allem dem Recht auf den gesetzlichen
Richter und der Unparteilichkeit des Gerichts, stehen.
Als letzter Redner zum Hauptthema des Vormittags schloss Prof. Dr. Malte
Graßhof mit seinem Vortrag „Geschäftsverteilung - Zur Zuständigkeit konkreter
Spruchkörper und Richter eines Gerichts“. Er skizzierte das deutsche Verständnis
des Rechts auf den gesetzlichen Richter (Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG), welches die
Zuweisung einer Streitsache zu einem konkreten Richter durch einen präzisen
Geschäftsverteilungsplan im Voraus anhand abstrakter Merkmale erfordere und
nach welchem Mängel eines Geschäftsverteilungsplans grundsätzlich als Verfah-
rensfehler gerügt werden können. Sodann widmete er sich einer aktuellen Kam-
merentscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 20. Februar 20181, die eine
Verfassungsbeschwerde gegen verwaltungsgerichtliche Entscheidungen über die
Ausweisung eines marokkanischen Staatsangehörigen betraf In dieser spiegelte
sich der sehr strikte Ansatz des Gerichts im Hinblick auf das Recht auf den ge-
setzlichen Richter wider. Der erstinstanzliche Prozess war von einer Änderung
des Geschäftsverteilungsplans betroffen, welcher bestimmte, dass alle seit Anfang
des Jahres 2017 eingegangenen ausländerrechtlichen Verfahren von der zunächst
für die Streitsache zuständigen Kammer auf eine andere Kammer transferiert wer-
den sollten, es sei denn, zum Zeitpunkt des Übergangs sei bereits ein Termin zur
mündlichen Verhandlung bestimmt. Das BVerfG gab nach vollumfänglicher Prü-
fung der Verfassungsbeschwerde statt und verwies das Verfahren an das erstins-
tanzliche Verwaltungsgericht zurück. In seiner Begründung führte es aus, dass in

1 BVerfG v. 20.2.2018 - 2 BvR 2675/17.

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